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Hinein ins große Trara

Am liebsten wäre sie Sängerin: die Gymnastin Magdalena Brzeska  ■ Von Holger Gertz

Bestimmt ist das Ganze auch so, wie Klaus Kärcher es sagt: „Die Magda, die gehört ja fast schon zur Familie.“ Mit allem Möglichen komme sie zu ihm, mit sportlichen Dingen, „aber mit persönlichen Sachen auch“. Vertrauen bestünde zwischen beiden, sagt Klaus Kärcher, und weil das ziemlich wichtig ist, erwähnt er es im Gespräch gleich ein paarmal: „Sie weiß, ich höre mir alles an.“ An diesem Tag ist das nicht viel. Die Sportartikelmesse in München ist ein Pflichttermin für Klaus Kärcher, den Manager, und Magdalena Brzeska, die Gymnastin, und erst nach drei Stunden Plauderei mit Journalisten und Sportartikelherstellern und dem einen oder anderen Autogramm kommt sie herbei und bittet um eine Auszeit: „Kann ich jetzt mal verschwinden?“ Sie kann.

Aber das Ganze ist auch ein Geschäft, das Kärcher (37) nach Kräften ankurbelt. Früher hat er als Fotograf gearbeitet, „viel Volleyball“, aber „auch ein Lothar- Späth-Buch und ein Kinderbuch“ gemacht, sowie „als erster Weißer im Slum von Nairobi gewohnt“. Ein buntes Leben, und dann kam Magdalena. Er sollte im Leistungszentrum der Gymnastinnen in Fellbach Autogrammfotos knipsen, man kam ins Gespräch, seitdem regelt der Schwabe emsig die Geschäfte der in Polen geborenen Tänzerin, und wie er das macht, ist in der Tat beachtlich. Wer konnte vorher schon was anfangen mit einer Sportart, in der gewöhnlich strenge Frauen Befehle durch dünne Lippen pressen und dürre Mädchen ihre Körper biegen, daß man nicht mehr hinsehen mag? Und dann eine wie Magdalena, die zwar die Beste im eigenen Land ist, aber international hinterherturnt; auch bei der WM, die gerade in Wien läuft, wird sie nichts ernten. Aber das sei ja gerade der Trick, sagt Kärcher, und ein wenig senkt er die Stimme, damit nicht jeder sein Geschäftsgeheimnis spitzkriegt: „Die Leute wollen nicht Gewinner, die wollen Typen.“

Auf der Sportartikelmesse hat man beobachten können, was das Mädchen wohl zum Typen macht. Da hat Magda locker mit allen geschwätzt in diesem einprägsamen Dialekt aus Polnisch und Schwäbisch, während nebenan am Infostand eines anderen Sportartikels die Springerin Alina Astafei und die Fechterin Anja Fichtel dreinblickten, als hätten sie gerade in eine Zitrone gebissen. „Es sind zwar immer dieselben Fragen“, sagt Magdalena, „trainierst du viel, hast du 'nen Freund“, aber was soll's? Smalltalk hat sie geprobt, im Fernsehen vom „Sportstudio“ bis zu „Willemsens Woche“. Eben war sie beim Gartenfest von Bundespräsident Roman Herzog und hat zu dessen Gattin Christiane „Tante Christel“ sagen dürfen.

Wie kommt eine zu solcher Ehre und all dem Geld von Sponsoren? Ein Immobilienmann zahlt 1,5 Millionen für drei Jahre, allerhand kleinere Deals summieren sich. „Sie sieht halt super aus“, sagt Kärcher, und das ist der wahre Grund für alles. Als Mädel, Nymphe und Lolita hat er sie porträtiert; auf einem Stuhl sitzend, in einem schwarzen Rock, aus dem ein nacktes Bein rechts herausragt und eines links; im weißen Unterhemd und engen Jeans mit Löchern. Das mit der Lolita mag der Meister nicht gern hören, „die echte Lolita war doch zwölf, und Magda ist 17. Die weiß, was sie will.“ Im knappen Anzug antreten zum Beispiel, weshalb sich schon mal ein Kampfgericht erregt hat. Lächerlich finden das die beiden. „Ich glaube, viele sind einfach neidisch, weil sie nicht so gut aussehen“, sagt das Mädchen, und der Manager versteht das Gerede erst recht nicht. Da gebe es ja noch die Schwimmerin Franziska van Almsick, 17 wie Magda und somit alt und fotogen genug, um Männerträume zu wecken. „Die springt mit ein paar Gramm Stoff am Leib ins Wasser“, sagt Kärcher, und Magda wirbelt halt mit ein paar Gramm Stoff über die Gymnastikbahn. Warum also rege sich alle Welt auf, wenn die Mädchen „bei Fotoaufnahmen auch nicht viel tragen?“

Da hat Kärcher ausnahmsweise nicht genau hingeschaut bei den Fotos, die es von Franziska van Almsick gibt, und nicht die Unterschiede erkannt zu denen der Gymnastin Brzeska. Weniger als einen Badeanzug hat die Schwimmerin nie an und linst auch nicht schmollmundig ins Objektiv wie Magdalena. Würde auch nicht passen zu einer, die eher nach Fluchtwegen aus dem großen Trara sucht. Franzi mag kein Star mehr sein, Magda will einer werden. Und der Manager hat sie gelehrt, daß das am besten geht, wenn sie von Zeit zu Zeit die kindliche Verführerin gibt. Die Wissenschaft wendet sich mit Grausen. „Diese Posen sind doch eine totale Verarschung der Frau“, sagt der Darmstädter Psychotherapeut Bernd Frederich, und daß „sich jede Frau dagegen wehren müßte, so auf das Körperliche reduziert zu werden“.

Magda nicht. Die will keine Frauenrechtlerin werden, sondern „manchmal im Mittelpunkt stehen, das ist schon ganz schön!“ Ein amerikanischer Barde hat mal eine CD namens „Magdalena“ herausgebracht, demnächst darf sie im ZDF Frühgymnastik vorführen, aber am liebsten würde sie Sängerin sein. Allerdings: „Es klingt nicht so doll“, sagt Magdalena und lacht, und Klaus Kärcher zieht mit der flachen Hand eine Grenzlinie in der Luft, als wolle er zeigen, wann das Ganze anfangen könnte, peinlich zu werden: „Singen soll sie lieber in der Badewanne.“

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