: Hirn töten Bauch
■ Leidenschaft nur mehr Erinnerung bei Bremens 1:1 gegen Kaiserslautern
Bremen (taz) – Was waren das noch für Pfälzer Nachmittage: Als kleiner Pöks zu Hause, der samstägliche Hausputz roch nach Meister Proper, im Kofferradio überschlugen sich die Stimmen. Damals, als die Lauterer uff'm Betze gegen die Bayern mit Müller und Maier und Beckenbauer zur Halbzeit 4:1 hintenlagen und die Superstars am Ende doch noch mit 7:4 heimgeschickt wurden. Kaiserslautern damals, das war Leidenschaft.
Und was für hanseatische Mittwoche, gute 20 Jahre später, wenn Werder im Europapokal hoffnungslos ins Spiel ging, weil das Hinspiel vergeigt war. Aber dann: Aufbäumen, Dramatik, Spielrausch, vom Publikum nach vorne gepeitscht. Werder, das konnte mal Leidenschaft sein.
Was war das für ein Samstag. Da kam der angeschlagene FCK zu den Bremer Minimalisten. Werder von Anfang an unter Volldampf, die Lauterer schwer unter Druck. Da war sie, die Bremer Leidenschaft. Und in der siebten Minute schnibbelte Basler einen 30- Meter-Freistoß genau neben den Pfosten ins Tor – Genialität im Schlappen. Das war Leidenschaft für fast zehn Minuten, denn in der neunten war dann alles schon wieder vorbei. Baiano tritt nach, wird vom Platz gestellt, Werder-Trainer Aad de Mos wechselt mit Hobsch und Bestschastnisch den kompletten Sturm aus und bringt dafür den schnellen Außenverteidiger Wolter und den Allrounder Neubarth für die Innenverteidigung – und zieht damit den wütenden Protest der Zuschauer auf sich. Die kriegen dafür von Basler den Vogel gezeigt: „Weil die Leute bescheuert sind.“ Leidenschaft, immerhin.
Ab da regiert die Taktik. Werder steht zwar sicher gegen die erschreckend harmlosen Lauterer, aber wer ergötzt sich schon an intelligentem Abwehrverhalten? Elf rote rannten sich in ihrer Phantasielosigkeit in zehnköpfiger grüner Cleverness fest. Lauterer Leidenschaft: nur mehr Erinnerung. Nach einer Stunde fliegt dann auch der Lauterer Uwe Wegmann nach einem viertelstündigen Kurzauftritt vom Platz. Werder wittert die Chance, de Mos holt Neubarth wieder vom Platz und bringt Angelo Vier als Sturmspitze. Das verschafft den Lauterern wieder mehr Raum, aber die paar halben FCK- Chancen fischt Werder-Keeper Frank Rost sicher. So wäre alles verläppert, wenn nicht kurz vor Schluß Hollerbach volley aufs Tor gehalten und Wagner abgefälscht hätte. FCK: keine Chance, ein Tor. Werder: das Spiel im Griff, zwei Punkte vertaktisiert. Am Ende wütende Pfiffe gegen Aad de Mos. Wenigstens da gab's noch das wichtigste am Fußball: Leidenschaft. Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen