: Schieb ab, Innenminister
■ betr.: „Freiflug ins Folterland Su dan“, taz vom 14. 9. 95
Manfred wußte, was er tat. Prinzipientreu klappte er die Mundwinkel auseinander und drückte knirschend ein harsches „Abschieben!“ durch den Zähnewust. Seine zornesroten Augen quollen antisudanesisch hervor. Ja, wo kommen wir denn hin, wenn jeder, der hier nicht hingehört, wider jegliche preußische Vernunft seine Beine auf deutschem Boden plaziert und Asyl begehrt? Da vibrieren die konservativen Ressentiments aufs heftigste bei der alptraumartigen Vorstellung, auf den völlig überfüllten Flughäfen hierzulande könnten sieben Afrikaner sitzen, notwendige Gepäckwagen und dringend gebrauchte Münzfernsprecher blockieren. Und welch ein Schreckensszenario, sollten derlei Geschöpfe das Flughafenterrain verlassen, Aufnahme finden und in unkontrollierten Massen gierig ihre Greifer nach teutonischen Geldtöpfen ausstrecken.
Nicht mit mir, quiekte Manfred seine Kritiker an, und setzte Zeichen: Heim ins Reich mit den Sudanesen, zurück zu Familien und angestammten Wurzeln. Wer da sonst noch warten könnte im fernen Afrika – Klein-Manfred weiß es. Als Mann vom Folter-Fach kennt er die exquisitesten Möglichkeiten variantenreichster Würdeverletzungen. Da werden dann auch schon mal Zigaretten auf Zungen ausgedrückt und Fingernägel ein- oder gleich abgerissen, bekam er von den in Hysterie ausbrechenden Medien und gleichsam völlig in Panik entrückten Däubler-Gmelins zu hören. In solchen Situationen greift bei Manfred immer ein einfaches Rezept: In dubio pro deutsches Justizsystem. Und Kruzifix, im Zweifel muß man eben rechtliche Prioritäten setzen. Denn schließlich weiß Manfred, wie er rechten Hakenkreuz-Präsentatoren auf den Straßen und Moral-Abgestumpften seiner Gattung etwas Gutes tun kann. Es lebe der innere Frieden, auch wenn es nicht der im Sudan ist. Schieb ab, Innenminister! Frank Lehmkuhl, ein Praktikant
der wütend ist, Bonn
„Die Dame ist offenbar hysterisch“, so Innenminister Kanther in der 19-Uhr-Heute-Sendung am 13. 9. 95, über die Ministerin Frau Däubler-Gmelin, die Kanthers Ausweisemodalitäten als „zynisch“ und „unmenschlich“ kritisierte.
Herr Kanther charakterisiert sich mit der undifferenzierten und einen diskriminierenden Unterton enthaltenden Äußerung ungünstig. Eine derartige pauschale Männersprache ist seiner nicht adäquat. [...] Er sollte nicht auf diesem Niveau reagieren, sonst könnte man vermuten, daß der Gleichberechtigungsgedanke des 20. Jahrhunderts an ihm schonend vorübergegangen ist.
Guter Rat für den Minister: auf Kritik weniger emotional und sprachliche Möglichkeiten besser nutzend reagieren. Irmgard Knobloch-Heppner,
Düren
[...] Angesichts unseres Wohlstandes einerseits und der eindeutigen politischen Verhältnisse im Sudan andererseits, ist es völlig absurd, daß sieben hilfesuchende Menschen aufgrund von Gesetzen der sogenannten Rechtsstaatlichkeit in die Ungewißheit zurückgeschickt wurden, den morgigen Tag vielleicht nicht mehr erleben können.
Eritrea – selbst noch von den Narben des Bürgerkrieges gezeichnet – hat als eines der ärmsten Länder der Welt mehr Größe bewiesen, als das wohlhabende Deutschland der selbstgefälligen PolitikerInnen und BürgerInnen. Dieses Land dachte ernsthaft über die Möglichkeit einer Aufnahme der sieben sudanesischen Flüchtlinge vom Rhein-Main-Flughafen nach. Wie wir wissen, vergebens.
Ich schäme mich dafür, daß Menschen wie Sie, Herr Kanther, in diesem Land Politik machen dürfen. Wolfgang Reinke, Rostock
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