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Alle Roben sind gleich Von Michael Schmuck

„Erbeutetes Kleid“ ist die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Robe. Und wie jede erjagte Beute, so ist auch die Robe umstritten. Ihre Gegner sagen, sie sei ein Relikt längst vergangener Tage und entspreche nicht mehr dem Bild einer modernen Justiz und plädieren fürs Robensterben. Nun sind aber die meisten Juristen eher traditionsbewußte denn moderne Menschen. Keine Chance also für Nudisten aus der Anwaltszunft, die die Frage des Robenzwangs – logo – auch mehrfach vor Gericht ausgefochten haben. Das Oberlandesgericht Braunschweig beispielsweise hat vor kurzem entschieden, die Robe diene dazu, den BürgerInnen durch eine angemessene Form Respekt zu erweisen: „Durch die Amtstracht werden Anwälte als Organe der Rechtspflege kenntlich gemacht. In signifikanter Form beleben sie damit das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes: Die Person tritt hinter dem Dienst an Gesetz und Recht zurück.“

Die Robe homogenisiert also Richter- und Anwaltschaft, das Individuum ist nicht mehr zu erkennen. Man kann sich in und hinter der Robe verstecken, wie das bei allen Uniformen ist. Aber bei anderen Uniformträgern, etwa PolizistInnen, gibt es neben der Homogenisierung noch einen offiziellen Zweck: die Erkennbarkeit (Blaulicht!). Doch: Richter und Staatsanwälte wird derjenige, der mit ihnen im Gerichtssaal zu tun hat, mühelos auch ohne Schale erkennen. Schwieriger ist es da schon, den schwarzrobigen Richter vom Staatsanwalt und jenen vom nicht minder schwarzen Anwalt zu unterscheiden.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederum entschieden, daß durch das Tragen der Robe „ein Beitrag zur Schaffung jener Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet wird, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann“. Kaum zu glauben, daß es trotz Robe noch Fehlurteile gibt!

Auf den ersten Blick sind alle Roben gleich, nämlich Schwarz – oder auf Juristendeutsch: von schwarzer Farbe. Doch was wären Träger von Amt und Würden, denen man die Unterschiede in Amt und Würde nicht ansehen sollte? Da die Farbe Tiefschwarz wenig Abstufungen zuläßt, sind die feinen Unterschiede am Besatz auf dem Revers des Umhangs zu erkennen: Beim Richter und Staatsanwalt hat er einen Besatz aus Samt, beim Rechtsanwalt bloß aus Seide (kein Lack, kein Leder, kein Gummi). So bestimmt es beispielsweise in Berlin die „Allgemeine Verfügung über die Amtstracht der Berliner Rechtspflegeorgane“. Je höher Amt und Würden, desto wichtiger die Unterschiede. Die höchsten Richter – etwa die des Bundesgerichtshofs und Bundesverfassungsgerichts – heben sich daher ganz deutlich von den Kollegen niederer Instanzen ab: Der Club der roten Richter urteilt in Purpur.

Glaubt man den Anzeigen der Firma N. in juristischen Zeitschriften, so ist die bessere Robe die „Robe Elite“ (für Staatsanwälte und Richter 495 Mark, für Anwälte 458 Mark): „IWS-Merino- Schurwolle, Cool Wool, knitterfrei und fleckgeschützt“. Fleckgeschützt – das ist besonders für Richter und Staatsanwälte von großer Bedeutung und mag deren Entscheidung für „Elite“ erleichtern: Die schwarze Robe war schon immer der Inbegriff der weißen Weste.

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