: Alles an einem langen Indianerwochenende
■ „Dance Me Outside“: kleiner Filmgruß aus dem Reservat von Bruce McDonald
Silas Crow und Frank Fencepost leben im Indianerreservat von Kidabanese. Ihr dringlichster Wunsch: die Ausbildung zum Automechaniker in Toronto. Aber irgendwie geschieht nichts; Silas zieht seinen Hut ein wenig tiefer ins Gesicht, und Frank trinkt noch einen zuviel. Ein Freund kommt aus dem Gefängnis zurück, Silas' Schwester besucht mit ihrem weißen Ehemann die Familie, eine Schlägerei in der Kneipe, Silas wird von seiner Freundin verlassen, ein Mord geschieht – und das alles an so einem Indianerwochenende im Indianerreservat. Ein Jahr später, ein weiteres Wochenende, alle Fäden fügen sich, die Protagonisten sind ein Jahr älter. Und doch scheint nicht viel passiert zu sein.
Zwischen Bruce McDonalds Filmen liegen im Schnitt drei Jahre. Die beiden letzten, „Roadkill“ und „Highway 61“, waren wundervolle kanadische Roadmovies in traurigstem Schwarzweiß. Alles war Musik, Fahren niemals Ankommen. In „Dance Me Outside“ ist einiges noch wie früher: Die Musik – Indianergesänge oder Metal – erzählt manchmal mehr als die Bilder über die Protagonisten, die auch im Plappern seltsam sprachlos bleiben. Aber diesmal wird hiergeblieben – ohne allerdings wirklich da zu sein. Große, teure deutsche Autos werden geliehen, aber man kommt nicht weit damit und landet am nächsten Baum. Silas' Schwester hat einen Weißen geheiratet, kommt aber immer zurück ins Reservat, wo die Mutter verzweifelt auf den Enkelnachwuchs wartet.
Abziehbilder von Indianern und der sie umlagernden Kultur des weißen Mannes sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Die Indianer sind Menschen wie du und ich – nur anders. Die wenigen Weißen sind Mörder und Fieslinge. Doch im Gegensatz zu „Halbblut“ oder anderen Filmen, die in Reservaten spielen, braucht „Dance Me Outside“ keinen Außenseiter, der mit unseren Augen dorthin sieht, damit auch wir verstehen. Die Kinderlosigkeit von Illiana wird mit einer Mischung aus alten Kult-Hausmitteln und moderner Pragmatik gelöst. Während Silas und seine Freunde für den weißen Gatten ein erfundenes Stammesritual inszenieren, um ihn eine Nacht von Illiana fernzuhalten, versucht die, mit ihrer Ex- Liebe den Nachwuchs zu erzeugen. Selbst diese Screwball-Situation läuft bei McDonald mit Liebe und Respekt ab. Und „Dance Me Outside“ liefert den lustigsten und erfolglosesten Mordversuch der Filmgeschichte.
McDonald läßt sich Zeit in seinen Filmen. So, wie unsere Helden nichts überstürzen, um nichts zu verpassen, so folgt ihnen die Kamera. Jedes Ding hat seine Zeit. Alles beginnt und endet mit dem Raben, der auf dem typischen grauen Asphalt eines US-Highways sitzt. Diesmal hat Bruce McDonald ein Prä-Roadmovie gedreht, einen Film darüber, ob man überhaupt reisen muß, um anzukommen. Die Straße, auf der der Rabe sitzt, ist die Straße, die aus dem Reservat heraus führt. Auf derselben Straße gelangt man hinein. Thomas Winkler
„Dance Me Outside“ (OmU). R/B: Bruce McDonald; B: Don McKellar, John Frizzell; D: Ryan Rajendra Black, Adam Beach, Lisa LaCroix, Jennifer Podemski, Hugh Dillon, Michael Greyeyes. Kanada 1994. 87 Minuten.
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