piwik no script img

■ Bosnienkonferenz einigt sich auf VerfassungsgrundlagenInterpretationen zeigen den Wert

Daß Bill Clinton – sekundiert von anderen westlichen Regierungspolitikern – die New Yorker Einigung über Verfassungsprinzipien für Bosnien als wesentlichen Fortschritt auf dem Weg zu einem Friedensabkommen preist, ist verständlich. Noch muß der vorrangig um seine Wiederwahl im nächsten Jahr besorgte US-Präsident den Kongreß in Washington überzeugen, endgültig von einer Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung abzusehen und die Entsendung von bis zu 25.000 US-Soldaten zur Überwachung eines Bosnienabkommens zu genehmigen. Doch verläßlicheres Indiz für den Wert einer Vereinbarung sind in der Regel die Interpretationen durch die unmittelbaren Konfliktparteien. Und die sind nach wie vor eher konträr.

Karadžić feiert die Vereinbarung als Sieg für seine serbische Republik. Das ist mehr als nur Propaganda, um die eigene Gefolgschaft zufriedenzustellen. Die von Belgrads Außenminister geführte Delegation der Serben konnte in New York verhindern, daß, wie von der bosnischen Regierung gefordert, die Möglichkeit zur Sezession der „Serbischen Republik“ ausdrücklich und auf Dauer ausgeschlossen wurde. Offenbar war dies auch für US-Unterhändler Holbrooke und die Vertreter der Kontaktgruppe keine Priorität. Darüber hinaus bietet die Vereinbarung den Karadžić- Serben ausreichende Hebel, um die vorgesehenen gemeinsamen Institutionen des Staates Bosnien dauerhaft zu blockieren. Auf diesem Wege ließe sich dann in einigen Jahren doch noch internationale Unterstützung für die „vernünftige Lösung“ einer Abspaltung der „Serbischen Republik“ und ihrer Annexion an Serbien mobilisieren. Ob dieses Szenario Realität wird, hängt allein davon ab, wie weit sich die USA und die anderen Kontaktgruppenstaaten dafür einsetzen, daß die anderen unter ihrer Vermittlung vereinbarten Grundprinzipien tatsächlich voll umgesetzt werden. Insbesondere das Recht aller Vertriebenen und Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre Vorkriegs-Wohngebiete. Denn nur wenn zumindest ein Großteil dieser Menschen zurückkehrt, besteht eine Chance, daß die beiden jetzt vereinbarten „Einheiten“ auf dem Territorium Bosniens wieder zu einem gemeinsamen Staat zusammenwachsen. Voraussetzung für eine Rückkehr vertriebener Muslime und Kroaten in das Gebiet der „Serbischen Republik“ ist jedoch, daß Karadžić und General Mladić nicht mehr das Sagen in dieser Republik haben. Ihre baldige Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wäre die beste Lösung.

Doch mit Rücksicht auf die innenpolitischen Schwierigkeiten von Serbiens Präsident Milošević dürfte die Kontaktgruppe sich diese Forderung zumindest vorläufig nicht zu eigen machen. Das verstärkt allerdings den Druck auf die bosnische Regierung und ihre Armee, die militärische Befreiung der serbisch besetzten Gebiete auch weit über den der muslischen-kroatischen Föderation zugestandenen 51-Prozent-Anteil am bosnischen Territorium hinaus fortzusetzen. Wie zahlreiche frühere Dokumente könnten sich dann auch die ganzen schönen New Yorker und Genfer Prinzipienvereinbarungen bald als Makulatur erweisen. Andreas Zumach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen