■ Israel und PLO unterzeichnen heute Autonomieabkommen
: Ein dickes Buch, kein Meisterwerk

Der große Wurf ist das nicht. Das zweite Autonomieabkommen zwischen Israel und der PLO, das heute auf dem Rasen des Weißen Hauses feierlich unterzeichnet wird, hat nicht mehr viel zu tun mit dem „Frieden der Mutigen“, der die Osloer Grundsatzerklärung von September 1993 noch auszeichnete. Stadt für Stadt und Dorf für Dorf haben Schimon Peres und Jassir Arafat um Einflußzonen und Kontrollrechte gefeilscht und sich erst nach unsanftem Druck aus den USA zu einer hastigen Unterschrift bewegen lassen. Das Autonomieabkommen ist kein diplomatisches Meisterwerk, sondern lediglich ein dickes Buch, das sich so liest, als sei es von zwei Krämerseelen geschrieben.

Der Flickenteppich von 30 Prozent der Westbank, der Arafats Kontrolle unterstellt wird, ist das Resultat eines krassen Ungleichgewichts. Arafat muß – trotz aller theatralischen Gesten – nehmen, was die Regierung Rabin ihm bietet. Und die militärischen Gründungsväter Israels lösen sich nur widerstrebend vom Denken in traditionellen Sicherheitskategorien. Stolz konnte Rabin erklären, daß 70 Prozent der Westbank unter israelischer Kontrolle bleiben, ebenso wie die Verfügung über Wasser und Elektrizität. Nicht einmal die Freilassung der Gefangenen konnte Arafat durchdrücken. Und über die Größe des autonomen Jerichos wird weiter gefeilscht. Noch ein schlechtes Omen: Während der Vertrag in Taba paraphiert wurde, riegelte die israelische Armee wieder einmal den Gaza-Streifen ab. All das macht die Vereinbarung nicht von vornherein wertlos, erklärt aber ihren konfliktträchtigen Charakter.

Vor allem die Siedlungen sind und bleiben das eigentliche Friedenshindernis. Die Siedler werden den Konflikt suchen und finden. Was aber geschieht, wenn bewaffnete Israelis in Hebron oder anderswo die palästinensische Polizei provozieren oder in eine Schießerei verwickeln? Israelische Siedler dürfen „unter keinen Umständen“ von palästinensischen Polizisten festgenommen werden. Und um Siedler zu schützen oder „Terroristen“ zu suchen, hat Israels Armee weiterhin das Recht, in die vorher geräumten palästinensischen Städte und Dörfer einzudringen. Die Palästinenser, die auf den Überlandstraßen zukünftig sowohl eigene als auch israelische Checkpoints passieren müssen, werden dieser Art von Autonomie kaum gute Seiten abgewinnen können.

Doch wo die Peitsche so laut knallt, ist das Zuckerbrot nicht weit. Als Morgengabe brachte Peres die Direktwahl des „palästinensischen Präsidenten“ ein: Arafat mag sich am Ziel seiner Wünsche wähnen. Die Aufwertung des Autonomierates zu einem 82köpfigen Parlament mit legislativen und exekutiven Rechten könnte sich dagegen eher als Danaergeschenk für den diktatorischen PLO-Chef erweisen.

Trotz allem: Die Mängel des Abkommens können nicht darüber hinwegtäuschen, daß Israel die Weichen zu einer vorsichtigen und sehr allmählichen Trennung von den Palästinensern gestellt hat. Aus dem Flickenteppich einen eigenen palästinensischen Staat zu machen dürfte aber länger dauern als die vorgesehene fünfjährige Übergangsperiode dieses Abkommens. Dennoch können wir sicher sein, daß die Krämerseelen von heute in den Geschichtsbüchern von morgen als Staatsmänner mit Augenmaß und Weitsicht auftauchen werden. Georg Baltissen