: Des Konsuls Kind
■ Das symbolisch eröffnete brasilianische Kulturzentrum grenzt einen Teil der Berliner Gemeinde aus
In der Knesebeckstraße 20/21, gleich am Savignyplatz, hat man sich beeilt. Da wurde der erste Stock getüncht, ein gutes Dutzend Gemälde brasilianischer WahlberlinerInnen und eine kleine Bibliothek muttersprachlicher Werke locker auf Stahlregale verteilt, und fertig war das „Zentrum für brasilianische Studien in Berlin e.V. – Centro de Estudos Brasileiros em Berlim – CEBB“.
Die Angehörigen des Generalkonsulates sind zufrieden, das erste Ziel ist erreicht: Präsident Fernando Henrique Cardoso konnte auf seiner Staatsvisite letzte Woche das akademisch ausgerichtete Zentrum einweihen, und die geladene, ausgewanderte Elite von Kulturschaffenden klatschte Beifall. Man war unter sich, adrett gekleidet und vergnügt, fast ausschließlich von heller Hautfarbe, ganz wie in den exklusiven Clubs auf der anderen Seite des Ozeans.
1.079 BrasilianerInnen leben in Berlin, die Dunkelziffer wird auf das Fünffache geschätzt. Nur wenige durften die Einweihung des Zentrums miterleben – farbige MusikerInnen oder politisch Engagierte wie das Straßenkinder- Komitee aus dem Mehringhof mußten draußen bleiben. Kritische Auseinandersetzung und Kultur von unten scheinen unerwünscht.
Brasilien heute, das heißt: eine der ungerechtesten Einkommens- und Landbesitzverteilungen der Welt, noch immer weit verbreiteter Analphabetismus, Korruption, wachsende Drogenmafia. Polizeiliche Willkür, völlig desolate Krankenversorgung, der Mord an Tausenden von Straßenkindern jährlich und vieles mehr. TouristInnen lassen sich in Rio de Janeiro nur noch während der Hauptsaison zwischen Weihnachten und Karneval blicken, im Nordosten dagegen boomt das Reisegeschäft und mit ihm, trotz rapide wachsender Aids- Infizierung, ein Sextourismus, der selbst Thailand um Längen schlägt.
Sergio Paulo Rouanet, brasilianischer Generalkonsul in Berlin und geistiger Vater des CEBBs, will damit nichts zu tun haben. Er, der ehemalige Kulturminister im Kabinett des korrupten Ex-Präsidenten Fernando Collor, möchte ein anderes Brasilienbild vermitteln. Als Verfasser mehrerer Werke über Philosophie und bekanntester Übersetzer Walter Benjamins ist ihm vor allem am akademischen Austausch von Brasilianisten gelegen.
Rouanets Wunsch ist dabei durchaus maßgeblich, denn obwohl das Zentrum als unabhängig deklariert wird, sind die Mitglieder des Berliner Generalkonsulats mit dem Aufbau befaßt – soweit man bislang überhaupt von Aufbau sprechen kann. Denn organisatorisch herrscht Chaos, Konzeptionslosigkeit auf der ganzen Linie. Zwar sollten deutsche Unternehmen als Sponsoren und Beitrag zahlende Mitglieder einen Teil der Kosten tragen, sie wurden aber bislang nicht einmal gesucht. Und wer die Direktion übernehmen wird, steht ebenso in den Sternen wie der Termin der eigentlichen Eröffnung des Zentrums. Vermutlich wird es erst 1996 losgehen.
Informationen schädigen das Image
Bis dahin wird das 240-Quadratmeter-Zentrum in einer der teuersten Ecken Berlins größtenteils ungenutzt bleiben. Ein hoher Preis für die extra wegen des Präsidentenbesuchs vorgezogene „Einweihung“ des CEBBs. Während kulturelle Förderung und wissenschaftliche Beschäftigung in Brasilien als Luxus behandelt werden, spart man in Berlin nicht an einem repräsentativen Aushängeschild.
Rouanet verspricht sich von der Lage des Zentrums insbesondere eine „fruchtbare Symbiose zwischen dem ,Zentrum für brasilianische Studien‘ und der Romanischen Buchhandlung gleich nebenan, dem einzigen Ort hier, in dem man portugiesischsprachige Literatur kaufen kann“.
Etwas völlig anderes würde sich die brasilianische Gemeinde vom CEBB versprechen: was gebraucht wird, ist ein Forum für den Austausch aktueller Informationen über brasilianische Politik und für die historische Auseinandersetzung. Sinnvoll wäre auch die Einbeziehung von in Berlin arbeitenden KünstlerInnen und bereits existierenden kulturellen Initiativen. Auch billige Deutschkurse oder der Austausch mit BerlinerInnen stehen auf der Wunschliste.
Ob das CEBB als gemeinnütziger, nicht gewinnorientierter Verein die Träume der BrasilianerInnen erfüllen wird, bleibt zunächst zweifelhaft. Wo Information das Image der Regierung schädigt, die das Zentrum finanziert, kann Realität nur akademisch geschönt sein. Da bleiben die Deutschen als Zielgruppe. Vielleicht als zukünftige Touristen? Annette Runge de Souza
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