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Kopfschuß, das ist doch was!

Was, wenn der DFB Uli Stein endgültig stoppt? Der Keeper hat kindliche Traumata längst nicht abgearbeitet  ■ Von Albert Hefele

Alles, was recht ist, der Uli Stein ist schon eine Type. Nicht totzukriegen. Schon rieb sich die Branche anläßlich seines Wechsels auf die Bielefelder Alm die Hände: „Jetzt nimmt er seine Rente, und wir haben Ruhe.“ Aufatmen. Denkste. Ganz im Gegenteil. Gerade aus den Tiefen der zweiten Liga schießt er seinen dicksten Torpedo ab: „Der riesengroße Bundesligaskandal, Nummer zwei.“ Hauptdarsteller: der böse Bongartz und, als weißer Ritter, Uli Stein. Die Story: Der Böse will den Guten via Mammon zu einer Manipulation überreden und stößt auf Granit: „Bei mir sind Sie an der falschen Adresse, weil es gegen meine Ehre geht.“ Eine schöne Geschichte und ohne Zweifel geeignet, in die große Marmortafel „Zum Ruhme des Sports“ gemeißelt zu werden. Es meißelt aber keiner. Im Gegenteil. Der weiße Ritter wird von allen Seiten mit Schmutz beworfen. DFB-Chefankläger Horst Hilpert spricht gar vom Entzug der Spielerlizenz, falls Stein seine Vorwürfe nicht beweisen kann. Entzug der Lizenz? Was wird dann aus Stein? Und schlimmer: Was aus uns?

1. Die harte Jugend

Das ist eine Welt! Die Bösen kichern höhnisch hinter der vorgehaltenen Hohlhand, und die Guten kriegen noch eine auf den Deckel. Für Uli Stein (40) nichts Neues. Die Ungerechtigkeit hat ihn schon immer als treuer Kamerad begleitet. Nachzulesen in dem zwar nicht von ihm, aber trotzdem schlecht geschriebenen Buch „Halbzeit“.

Nicht mal eine schöne Jugend hat der kleine Uli gehabt. Er fliegt vom Gymnasium und wird auf der Handelsschule ungerecht benotet. Sein Papa ist eine Art Dr. Jekyll und Mister Hyde. Manchmal überhäuft er die Kinder mit Geschenken, dann wieder regiert er den Familienverbund in der Manier eines stalinistischen Unterdrückers. Gott sei Dank kann der Junge gut Bälle fangen. Bald ist er ein gesuchter Torhüter. Aber: „Trotz bester sportlicher Referenzen bin ich überall abserviert worden, weil ich immer radikal vertreten habe, was ich für richtig halte.“ Trotzdem Niedersachsenauswahl und Amateurnationalmannschaft.

Uli Steins Karriere gerät ins Rollen, und er fönt sich von nun an die Haare zu einer Art Straußenei. Steins Haare waren nämlich nicht gescheitelt, sie schienen ihm vielmehr über der Stirn zu explodieren. So legen sich die Haare von Knaben, die mit großer Geschwindigkeit auf dem Fahrrad den Hügel hintersausen. Das paßt. Denn Uli Stein ist häufig in einer Vorwärtsbewegung und findet dann nur schwer die Bremse.

2. Das harte Mannwerden

Da war zum Beispiel die Sache mit Jürgen Wegmann. Der bekam eine Maulschelle Marke Stein. „Es war ein Reflex“, erklärte der eilig, und „in der Mannschaft war schon lange ein giftiges Reizklima“. Wenn ein nicht mehr ganz junger Mann so rasch die Kontrolle verliert, sind in der Regel kindliche Traumata im Spiel. Der überdominante, unberechenbare Vater, gehaßt, gefürchtet, geliebt. Die Rückprojektion auf Stein junior. Wegmann schlüpft in die Rolle des unbotmäßigen Knaben Uli, übertritt das Gebot des jetzigen Uli: „Keinen Ball in dieses Tor!“ und wird dafür vom auf Uli projizierten Gevatter Stein gewatscht.

Ist das klar? Uli Stein ist alles klar. Er muß nicht nur in dieser Situation eine pädagogische Funktion übernehmen. Gern ließ er eine Rückgabe ins Tor trudeln, um die Wichtigkeit des Keepers zu demonstrieren. Leider werden auch Menschen, die es nur gut meinen, oft mißverstanden. Bald wird Uli Stein als Unruhestifter und nimmermüder Krawallbruder verunglimpft. Schuld daran sind die Presse und hinterfotzige Funktionäre, die ihm ein ums andere Mal Knüppel zwischen die Beine werfen. Deswegen kommt er auch in puncto Nationalmannschaft viel zu kurz. Läppische sechs Einsätze für einen Mann, den die Koryphäe Ernst Happel emphatisch lobte: „Der Stein ist meine Nummer eins, weil der besessen ist, weil der einen Kopfschuß hat.“

3. Das harte Alter

Bitteschön, Kopfschuß, das ist doch was. Franz Beckenbauer hat das nie kapiert. Und nun die Sache mit Hannes Bongartz. 25 Riesen zauberte der angeblich aus dem Lendenschurz und wollte sich Steins und Jakobs' Dienste sichern. Wer hätte sich da nicht gerächt am deutschen Fußball? Die Kohle einfach eingesackt oder alles an die große Glocke gehängt? Nicht so Stein.

Gedankt hat es ihm kein Mensch. Man belästigt ihn mit Fragen: „Glaubt du im Ernst, daß sich der DFB das eigene Nest mit längst verjährter Kacke beschmutzt?“ Uli Stein geht es wie immer nur um den Sieg der gerechten Sache. Dafür hauen sie ihn jetzt wieder in die Pfanne. Alles beim Alten. Er hat es kommen sehen. Denn, wie steht es schon in „Halbzeit“ geschrieben? „Nichtangepaßte, von denen andere ihre doppelte Moral vorgeführt bekommen, müssen von der Bildfläche verschwinden.“ Und: „Schließlich haben Berufsverbote in dieser Republik Tradition. Damit wurden bereits in den siebziger Jahren kommunistische Briefträger mundtot gemacht.“ Das sollten die Funktionäre und die von der Presse sich mal hinter die Ohren schreiben. Und die von der Handelsschule auch.

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