Wo sitzt der Schlamper in der Steuersache Graf?

■ Im Stuttgarter Landtag holt Finanzminister Mayer-Vorfelder tief Luft und sagt nichts

Stuttgart (taz) – Hat er nun, oder hat er nicht? Hat der baden- württembergische Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) seinem Sportsfreund Peter Graf signalisiert, das Ding mit den ärgerlichen Steuern gehe trotz der Bonner Mahnungen schon in Ordnung, oder hat er nicht? Dem SPD-Abgeordneten Dieter Puchta ist zumindest ein Brief vom 12. Juli dieses Jahres an den Steueranwalt der Grafs bekannt, in dem die baden- württembergische oberste Finanzbehörde heftig behauptet, von einer „abschließenden Verständigung“ könne „keine Rede sein“. Dementiert wird hier das dem Abgeordneten Puchta ebenfalls bekannte Protokoll einer Besprechung der Graf-Anwälte mit dem baden-württembergischen Finanzministerium aus dem Jahre 1993. Genau darin aber, so Puchta, sei festgehalten worden, daß eine „tatsächliche Verständigung“ zustande gekommen ist. War also das laute Dementi aus Stuttgart jetzt nur der Versuch Mayer- Vorfelders, das sinkende Schiff rechtzeitig zu verlassen? Immerhin hatte der Finanzminister persönlich noch im Juni mit Vater Graf telefoniert und sich dessen Beschwerden über die Hausdurchsuchung angehört.

Gestern nun trat der Finanzminister vor den Finanzausschuß, der auf Antrag aller Landtagsfraktionen ausnahmsweise öffentlich tagte, und sagte – gar nichts. Jedenfalls nichts, was die Fragen nach seiner Verantwortlichkeit berührte. Zwar hatte das Finanzgericht ihm zu Beginn der Woche untersagt, das Steuergeheimnis im Fall Graf aufzuheben. Doch SPD und Grüne warfen gestern dem Minister vor, dieses „Redeverbot“ nur dafür zu benutzen, über die Vorgänge in seinem eigenen Haus schweigen zu können. Statt dessen hieb Mayer-Vorfelder heftig auf den Ausschußvorsitzenden, Dieter Puchta von der SPD, ein. Der habe in Interviews „ehrverletzende“ Äußerungen über ihn und die Finanzbeamten verbreitet und zudem nichst als „Desinformation“ betrieben.

Unabhängig vom Ausgang der Sitzung hatten die baden-württembergische FDP und die Fraktion der „Republikaner“ bereits zu Beginn der Woche die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses angekündigt, der nun die Verflechtungen zwischen Behörden und den Graf- Steueranwälten, aber auch die Untätigkeit der Finanzverwaltung klären soll. Denn das ist für den SPD-Finanzexperten Puchta schon jetzt ganz gewiß: „Irgendwer in der Finanzverwaltung hat geschlampt. Entweder in Schwetzingen, in Mannheim oder in Stuttgart.“

Mehr, als der Finanzminister sagen will, wissen wieder Medien über die Usancen der Steuerbehörden im Fall Graf. „Panorama“ berichtete, die Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Betriebsprüfung und das Finanzamt Schwetzingen seien im Dezember 1993 davon ausgegangen, daß im Fall Graf „ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt nicht vorliegt“. Das gehe aus einer Niederschrift über eine Besprechung zwischen Finanzbeamten und dem Rechtsvertreter von Steffi Graf, Harald Schaumburg, hervor. Die Familie Graf habe davon ausgehen müssen, daß alles in Ordnung sei. Ferner soll ein hoher Beamter der Oberfinanzdirektion am 20. März 1995 den am Dienstag verhafteten Berater der Grafs in Steuerfragen, Joachim Eckhardt, vor einem Strafverfahren gewarnt haben. So sei Zeit gewesen, belastendes Material beiseite zu schaffen. Philipp Maußhardt