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Und Schäfer brummelt „Hmm“

Nach dem 0:2 gegen Hansa Rostock ist der „goldene Oktober“ des Karlsruher SC beendet, bevor er überhaupt richtig begonnen hat  ■ Aus Karlsruhe Matthias Kittmann

Am 30. September um 17.15 Uhr war der „goldene Oktober“ beim Karlsruher SC schon wieder vorbei, ehe er überhaupt angefangen hatte. Alle sehen es, keiner will es richtig wahrhaben – es geht gar nichts mehr bei den Badenern. Mal wieder hatten sie davon geredet, die Aufholjagd auf einen UEFA- Pokalplatz zu starten. Gegen Düsseldorf war's doch schon ganz gut gelaufen, und dann noch der Punkt in Hamburg, wenn das nichts ist. Jetzt gegen Hansa Rostock gewinnen, in 14 Tagen gegen Uerdingen drei Punkte. Schon wäre alles wieder in Butter. In Karlsruhe wurde viel im Konjunktiv geredet. Seit Samstag ist das vorbei. „Bisher haben wir geredet, jetzt müssen wir handeln“, sagt Präsident Roland Schmider bedeutungsschwanger. Das 0:2 gegen Rostock hat nicht nur ihn, sondern auch die anderen 18.999 Zuschauer erschüttert.

Eine einzige herausgespielte Torchance in 90 Minuten – den Leuten verschlug es einfach die Sprache, sie konnten nicht mal mehr pfeifen. Trainer Winfried Schäfer sitzt zusammengesunken in der Pressekonferenz, es herrscht gedämpfter Ton wie auf einer Beerdigung. Schäfer kann nur konstatieren, nicht erklären: „Im Angriff fehlt total der Biß, da schreit keiner ,Hey Mann, spiel mich an‘. Da passiert nichts.“ Sergej Kiriakov ist ein Schatten seiner selbst. Der trickreiche Außenstürmer kommt an niemandem mehr vorbei. Edgar Schmitt, der Mann, der aus halben Chancen Tore machen konnte, wirkt ausgebrannt. Nach einem Steilpaß von Bender, die einzig herausgespielte Situation, hatte er in der 49. Minute frei vor Perry Bräutigam die Riesenschance – er beendete sie mit einem kläglichen Schuß. Nach dem Schlußpfiff verschwindet er leise und unbeachtet. Roland Schmider starrt auf ein Foto aus alten UEFA-Pokaltagen: „Das Ziel ist doch nicht zu hoch angesetzt – UEFA-Pokal. Wir haben 14 Millionen Mark investiert, sollen wir uns mit weniger zufriedengeben?“ Thomas Häßler, Adrian Knup, Thorsten Fink und Michael Tarnat haben sie geholt, „und wir dachten, es sind die richtigen Leute“. Sind sie's doch nicht? Schweigen. Und dann zögerlich: „Spieler sind halt auch Menschen und keine Maschinen.“ Trotzdem will er Leistungen wie die gegen Rostock nicht einfach so hinnehmen. 19.000 Zuschauer waren der schwächste Besuch in den letzten zwei Jahren, das geht auch an die Finanzen, zumal sie in Karlsruhe mit einem Schnitt von 29.000 kalkuliert haben. Wieder fällt das Wort vom Handeln. Nur was und wie – das weiß derzeit keiner. Vielen ist noch nicht mal der Ernst der Lage klar. Von einem Abstiegsplatz ist der KSC nur noch einen Punkt entfernt.

Als einer der wenigen Spieler stellt sich Thorsten Fink der Lage: „Der UEFA-Pokal ist zur Zeit überhaupt kein Thema. Wir müssen wieder ganz unten anfangen und Tritt fassen. Momentan läuft alles falsch.“ Das spielstarke Mittelfeld schlägt die Bälle weit nach vorne, doch was sollen die nicht gerade großwüchsigen Kiriakov, Knup und Schmitt damit anfangen. Einzig Thomas Häßler treibt an, rochiert hinter den Spitzen, ist bereit, den Paß zu spielen, aber niemand versteht seine Ideen. Vom unbändigen Kampfgeist, mit dem der KSC vor zwei Jahren für Furore sorgte und die Zuschauer begeisterte, ist nichts mehr zu spüren.

Es fehlen die Siegertypen, und Winni Schäfer widerspricht noch nicht mal, er brummelt nur ein „Hmm“. Vielleicht ahnen sie in Karlsruhe, daß sie etwas falsch gemacht haben. Nichts Peinliches, ein verständlicher Fehler, aber mit gravierenden Auswirkungen. Sie haben den Charakter der Mannschaft verändert, dieses Gebilde aus Kämpfern mit ein paar Könnern, mit dem der KSC einen unnachahmlichen Fußball spielte, auch wenn man lange immer knapp an der UEFA-Pokal-Qualifikation scheiterte. Als es dann doch geschafft wurde, wollten sie sich die vermeintlich nächste Evolutionsstufe gönnen: den schönen, technisch gepflegten Fußball, den eleganten Kick. In diesem Sinne haben sie sich verstärkt. Und es sind gewiß keine schlechten Spieler. Nur ist jetzt keiner mehr da, der sich die Lunge aus dem Leib rennt, keiner mehr, der in der 85. Minute das Spiel noch einmal umkrempelt. Nach dem 0:1 durch Steffen Baumgart passierte nichts.

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