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Von der Natur siegen lernen

■ Wissenschaftler nennen es "Bionik" - und arte zeigt ab heute 19.30 Uhr einen vierteiligen Film darüber

Das Drahtgestell, durch Kabel mit diversen Apparaturen verbunden, hüpft auf einem Bein im Labor herum. Die Männer in den weißen Kitteln scheinen es zugleich stolz und amüsiert zu beobachten. Noch ist es nicht so standfest wie das Känguruh, dem die Bewegungsabläufe abgeschaut sind; aber am Ende wird diese Technik wohl für einen Werksroboter oder eine Prothese genutzt werden.

„Bionik“ heißt die Idee hinter dieser Forschung, ein Kunstwort, das der US-Wissenschaftler Jackie Stelle bereits im Jahre 1958 aus „Biologie“ und „Technik“ geschaffen hat. Doch so wie bei den Laufmaschinen befindet die Bionik sich auch auf den meisten anderen Gebieten noch in den Kinderschuhen. Alle bionischen Bestrebungen verbindet der Versuch, von der Natur für die Technik des Menschen zu lernen. In einem vierteiligen Film dokumentiert arte, wie weit man damit weltweit gediehen ist.

Mit Leonardo da Vinci hat es wohl angefangen, und auch die Dokumentation setzt dort an. Sein Versuch, den Vögeln ihre Flugtechnik abzuschauen, kann, trotz des geringen Erfolgs, als früher bionischer Akt gesehen werden. Heute sind die Forschungsfelder weit verzweigt und werden oft nicht einmal unter dem Namen Bionik geführt. Der erste Teil der Dokumentation, „Bäume als Lehrmeister“, zeigt etwa einen japanischen Konstrukteur, der die Faltmechanismen der Pflanzen sowie die heimische Origami-Kunst zum Vorbild für faltbare Sonnenkollektoren nimmt.

In Teil zwei („Das Geheimnis der Bewegung“) winden sich elektrische Schlangen, und korkengroße Ameisen aus Metall sehen, hören und fühlen. Während diese Versuche oft spielerisch wirken und auf Verwendungszwecke in fernerer Zukunft verweisen, scheinen die medizinischen Möglichkeiten, denen der dritte Teil gewidmet ist, naheliegender – zugleich ist das ethische Streitpotential ungleich höher.

Schon wurde einem Hund eine Art Videokamera anstelle eines verletzten Auges eingepflanzt (oder sagt man „eingebaut“?). Auch die genetisch veränderten Schweine, die künftig als Organspender dienen sollen, werden hier angesprochen. Solcherlei aber, sagt der wissenschaftliche Berater der Reihe, der Saarbrücker Biologieprofessor Werner Nachtigall, gehöre eigentlich zur Biotechnologie und nicht zur Bionik. Im übrigen, glaubt er, werde das alles ohnehin kommen, ob wir es wollen oder nicht.

Bionik will in der Tat die Natur nicht manipulieren; manchmal allerdings bleibt das nicht ganz aus. Wenn im vierten Teil, der sich mit Werkstoffen der Natur befaßt, Spinnen gemolken werden, um deren extrem reißfestes Drüsensekret kilometerlang auf Spulen zu wickeln, ist noch nichts erreicht. Erst wenn Bakterien, mit dem entsprechenden Gen versehen, die Spinnenseide in rauhen Mengen herstellen, scheint das Unterfangen sinnvoll. Solche Forschungen werden übrigens, wie der Film lakonisch feststellt, vom Militär bezahlt (für Fallschirme, kugelsichere Westen), weil dort „die Kosten eine geringe Rolle“ spielten.

Noch vor fünf Jahren, sagt Professor Nachtigall, sei kaum jemand ernsthaft an Bionik interessiert gewesen, weder Ingenieure noch Wirtschaftslenker. Inzwischen seien diese Leute an ihre Grenzen gestoßen, während die Evolution einen enormen „Testvorsprung“ biete. Auch aufgrund ihrer ökologischen Grundidee ist man nunmehr offen für Bionik: Verschiedene Universitäten, besonders in Japan und den USA, arbeiten schon in dieser Richtung. Auch das Bonner Zukunftsministerium hat schon eine Abteilung für Bionik eingerichtet.

Japan und die USA waren denn auch die Hauptreiseziele des Filmautors Thomas Brodbeck. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Dokument: Es zeigt Wissenschaftler auf dem Weg zurück zur Beobachtung von natürlichen Vorgängen, ja zur kindlichen Freude an ihnen. Und es zeigt diese Vorgänge mit der Muße eines Naturfilms und mit zahlreichen optischen Tricks zur Veranschaulichung der Forschung, die Mensch und Natur einander wieder näherzubringen verspricht.

So sehen auch beide, der Filmautor wie der Professor, ihren Beitrag vor allem als Naturschutzsendung. Ohne den moralischen Zeigefinger des Artenschutzes erheben zu müssen, sagt Nachtigall, zeige der Film die Kreativität der Natur und damit auch die Notwendigkeit, diese zu erhalten.

Der WDR hat diese Reihe produziert. Bei der Pressevorführung vergaß man in Köln nicht zu erwähnen, daß so etwas nur auf öffentlich-rechtlichen Kanälen denkbar ist. Allerdings: Nur die „Vorabpremiere“ auf arte können wir zu einer menschenfreundlichen Sendezeit erleben. Der WDR selber fand in seinem dritten Programm für die Bionikdokumentation im November nicht vor ein Uhr nachts einen Sendeplatz. Oliver Rahayel

Die weiteren Folgen: Bis Ende Oktober immer mittwochs um 19.30 Uhr. Wiederholt wird jeweils am Samstag um 17.00 Uhr

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