Spielend zum Öko-Diplom

■ Planspiel über eine ökologisch geführte Druckerei bereitet Studenten der TU-Berlin auf das ökologische Management vor

Dieser Montag ist kein Tag wie jeder andere in der Berliner Druck Lufft GmbH. Die neuen Eigentümer, Friedrich und Leopold Lufft, haben Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen zu einer Betriebsversammlung gebeten. Inhalt: die geplanten ökologischen Veränderungen in dem Traditionsunternehmen. Die jung-dynamischen Schweizer haben sich vorgenommen, in ihrem Betrieb ein Umweltmanagementsystem aufzubauen, um so eine Zertifizierung nach der EU-Öko-Audit-Verordnung zu erreichen. Das Echo bei den Mitarbeitern ist geteilt, vielen geht es wie Betriebsrätin Karla Kieselkühler: „Das mit den Farbdämpfen in der Produktion ist vielleicht schon ein Problem, aber Öko-Audit?“

Alles ist fast so wie im richtigen Leben: Doch ist die Druck Lufft ein fiktives Unternehmen, und die MitarbeiterInnen sind nicht gelernte Drucker und Industriekaufleute, sondern Studierende der Wirtschaftswissenschaften. Die Geschäftsführer arbeiten im „richtigen“ Leben als Tutoren an der Technischen Universität Berlin im Studienreformprojekt „Ökologische Aspekte der Betriebswirtschaftslehre“ (kurz: ÖBWL), wo sie mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Kerstin Pichel an alternativen Lehrformen zur Vermittlung ökologischer Inhalte experimentieren.

Bevor das Quartett im Herbst 1994 das Planspiel Umweltmanagement entwickelte, hatte es Erfahrungen mit konventionellen Seminaren gesammelt, in denen einzelne Teilnehmer eine spezielle Fragestellung eines BWL-Bereiches untersuchten. „Damit schlossen sie eine ökologische Wissenslücke,“ beschreibt Kerstin Pichel, „aber für die Verbesserung von Schlüsselqualifikationen war diese Lernform nicht zufriedenstellend.“ Solche Fähigkeiten, etwa zur Arbeit in interdisziplinären Teams, sind aber unerläßlich für eine Tätigkeit im Umweltmanagement. Also hielten die Studienreformer Ausschau nach anderen Veranstaltungsformen und ließen sich von einem Planspiel im Bereich Abfallwirtschaft an der TU inspirieren.

Heraus kam die eingangs geschilderte Druckerei mit ihrer 100köpfigen Belegschaft, von der ein Fünftel im Planspiel durch die studentischen Teilnehmer dargestellt werden. Den Lebenslauf für ihre Rolle schreiben die fiktiven Drucker selbst. Dabei wird Kreativität freigesetzt, die sich in den klassischen 400-Leute-Vorlesungen nicht recht entfalten will: Der 20jährige BWLer mutiert plötzlich zum 45jährigen Familienvater, dessen Tochter zu Hause immer herumquängelt, weil er sich im Betrieb nicht ecologically correct verhält. Andere entdecken handwerkliche Talente und wechseln die Rolle des vergeistigten Akademikers mit dem Platz an der virtuellen Druckmaschine. Auch bei Namensgebung und blumiger Ausgestaltung der ungezählten Auslandsaufenthalte kennt die Phantasie der Planspieler kaum Grenzen, da steht Pepita Pelikan aus dem Einkauf ihrem Kollegen, dem Personalchef Max Faber, in nichts nach. „Planspiel ist lernen mit Spaß“, meint Karla Kieselkühler alias Kerstin Pichel und streift ihren Arbeitskittel ab.

Doch es ist nicht allein der Spaß, der das Planspiel für Studierende attraktiv und im Hinblick auf die Vermittlung von ökologischem Wissen wertvoll macht. Während ansonsten Spezialisierung Trumpf ist und gerade im Grundstudium das planlose Auswendiglernen ohne Verständnis für Zusammenhänge oft das Patentrezept für lästige Pflichtklausuren ist, tauchen hier plötzlich alle Teilbereiche des Unternehmens als zusammenhängendes Ganzes auf. Und: Innerhalb der einzelnen Gruppen müssen sich vier Studis zur gemeinsamen Arbeit zusammenraufen. „Während BWLer sonst eher die Tendenz zum funktelefonierenden Einzelkämpfer haben, merken sie hier, daß sie bestimmte Probleme einfach nicht mehr alleine bewältigen können“, meint Personalchef Faber alias Frank Orlowski. „Das bringt soziale Kompetenz, auch wenn es manchmal in der Gruppe kracht.“

Ein weiteres Anliegen der Initiatoren ist freilich auch die emotionale Sensibilisierung für den Lerngegenstand, die Ökologie. Fester Bestandteil des Planspiels ist daher ein Wochenendseminar im Berliner Umland. Dort stehen auch unkonventionelle Maßnahmen wie Naturwahrnehmung, Orientierungslauf in Kleingruppen und eine Lektion Waldsterben vor Ort auf dem Programm.

Teamfähige, ökologisch bewußte und danach handelnde Absolventen also als wundersames Ergebnis eines Semesters ÖBWL? „Die Leute gehen bei uns nicht perfekt und vollendet aus dem Planspiel heraus“, relativiert Kerstin Pichel diesen Eindruck, „sie sind nicht an einem Punkt, wo sie sich als ökologische Retter der Welt präsentieren können. Aber sie entdecken die Fähigkeit, sich für die ökologischen Anforderungen zu öffnen, und sind für die Konsequenzen ihres Tuns sensibilisiert.“ Das klingt nach Hoffnungsschimmer im grauen Uni- Alltag. Zumal auch die TU-Verantwortlichen ihr Interesse an dem Experiment durch eine Verlängerung der Projektdauer um ein weiteres Jahr bekundet haben. Ob der ökologische Reformwille des Fachbereiches danach allerdings ähnlich groß sein wird wie der der Gebrüder Lufft in ihrem Unternehmen, wird sich zeigen. Rolf Wüstenhagen

Studienreformprojekt „Ökologische Aspekte der Betriebswirtschaftslehre“, Technische Universität Berlin, Tel. 030/314-24981