: Aber bitte mit Niveaukontrolle
„Geprüfte Theater“: Sieben Berliner Off-Theater schließen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen – ein beispielhafter Schritt in Richtung modernes Theatermanagement ■ Von Petra Kohse
Häppchen gab es zu essen, und knapp und wohlgesetzt wurde man auch über das Wesentliche informiert. Keine Frage, die Off- Theater präsentierten sich am Mittwoch im theater 89 effizienter und imagebewußter als manches Staatstheater. Und dieser Schritt war überfällig: Sieben Off-Theater haben sich zusammengeschlossen, um ihre derzeit diffusen Arbeitsbedingungen zu strukturieren und ihre gemeinsamen Interessen öffentlich zu vertreten.
„Geprüfte Theater“ nennt sich die Initiative nicht ohne Selbstironie – die dazugehörigen Gruppen sind durch teilweise jahrzehntelange kontinuierliche Arbeit erprobt, werden regelmäßig begutachtet durch den Beirat für freie Gruppen der darstellenden Kunst und sind allesamt leidgeprüft durch die Finanzierungsschwierigkeiten und die allgemeine künstlerische Orientierungslosigkeit in den letzten Jahren.
Die Berliner Kammeroper, das Freie Schauspiel, die Neuköllner Oper, STÜKKE, das theater 89, das Theater zum Westlichen Stadthirschen und das Zan Pollo Theater gehören zu den freien Schauspiel- und Musiktheatern, die eigentlich schon lange Privattheater sind, selbst wenn sie – wie etwa die Kammeroper – keine feste Spielstätte haben. Sie haben eine langjährige Kerntruppe, gar ein Ensemble sowie ein spielzeitübergreifendes Konzept.
Mit Ausnahme des Freien Schauspiels gehören sie auch zu den optionsgeförderten Gruppen, das heißt, daß ihnen der Senat für Kulturelle Angelegenheiten auf der Grundlage der Beirats-Empfehlung ein Finanzierungsversprechen gegeben hat, das sich jeweils über drei Jahre erstreckt.
Jetzt wollen die Geprüften Theater, die derzeit zwischen 250.000 und 700.000 DM jährlich bekommen, einsichtigerweise auch genauso als Privattheater anerkannt werden wie das Kleine Theater, das in diesem Jahr rund 780.000 DM erhielt, oder das Renaissance Theater, das mit 5,7 Millionen DM bezuschußt wird.
Dabei geht es den Geprüften kurzfristig weniger um eine Angleichung des Etats – was wegen gänzlich anderer Spielstätten, Vertragsverpflichtungen etc. auch nicht möglich wäre –, sondern um eine prinzipielle Gleichberechtigung. Sie wollen, daß das Fördersystem auf der Grundlage einer regelmäßigen künstlerischen Überprüfung auch etwa auf die Vagantenbühne ausgeweitet wird.
In Kürze wird das nicht zu erreichen sein, denn Kultursenator Roloff-Momin hat den Privattheatern gerade erst eine fünfjährige Planungssicherheit verschafft. Danach aber können und müssen die Plätze auf dem Koordinatensystem neu besetzt werden. Signale dafür gibt es bereits: Bei der Eröffnung des neuen Dachfoyers der Neuköllner Oper am 27.9. sagte Roloff-Momin, daß eine erweiterte und niveaukontrollierte Privattheaterlandschaft „nachdenkenswert“ sei. Und der nächste Kultursenator wird hinter dieses Wort kaum zurückfallen können.
Von einer Neudefinition der Geprüften Theater würde die ganze Szene profitieren: Wenn diese nicht mehr aus dem gemeinsamen Topf (derzeit 9,1, Mio. DM) gefüttert werden, bleibt mehr Geld für die Projektförderung, was wiederum die Chance einer innovativen Arbeit erhöhen würde. Denn diesbezüglich darf man sich von den Geprüften nichts vormachen lassen: Sie sind zwar im Vergleich zu den Privattheatern progressiv, das heißt an zeitgenössischer Dramatik und spielerischen Formen interessiert – Adressen für experimentelles Theater sind sie damit jedoch nicht automatisch.
Wie auch immer: Daß aus der oft zerstrittenen, fälschlich konkurrierenden Off-Theater-Szene endlich eine Initiative wie die der Geprüften Theater hervorgegangen ist, ist schon eine kleine Sensation. Natürlich gibt es Skepsis bei den Kollegen. Ob sie sich als Elite verstünden, fragte Alfred Bouß von der Tanzfabrik, doch Stefanie Kuch-Steudemann von STÜKKE, Heidi Grot vom Theater zum Westlichen Stadthirschen und Jürgen Maier von der Neuköllner Oper versicherten: Nein. Sofern eine Interessengemeinschaft in einzelnen Punkten bestehe und die entsprechende Gruppe strukturell dazu in der Lage sei, am Arbeitskreis teilzunehmen, sei sie willkommen; auch die Tanztheater wolle man keineswegs ausgrenzen.
Neben dem Fernziel des Privattheaterstatus verfolgen die Geprüften Theater auch die Einführung einer Infrastruktur, die durchaus beispielhaft für alle Theater Berlins sein könnte und sich an niederländischen Theaterproduktionsstrukturen orientiert (vgl. auch den taz-Bericht über den niederländischen Produzentenverein vtp vom 11.5.).
Das heißt etwa eine Zentralisierung von Verwaltungsangelegenheiten, ein Technikpool, gemeinschaftliche Öffentlichkeitsarbeit, koordinierte und damit rabattfähige Einkäufe etc. Alles keine neuen, aber um so notwendigeren Ideen. Eine bessere Organisation erhöht auch die Chancen, Geld aus Sondertöpfen (etwa Lotto) zugesprochen zu bekommen. Kurz und gut: Daß die Off-Theater beginnen, sich zu organisieren, löst nicht die ästhetischen Leerstellen, die sich überall in der Szene breitmachen, wird aber sicher die Arbeit vieler Gruppen sichern und zur Profilierung beitragen, was dann aufs schönste dem Publikum zugute kommt.
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