Vage Hoffnung für Berufsverbote-Opfer

■ Trotz EU-Gerichtsbeschluß warten BremerInnen auf Rehabilitierung und Entschädigung

Der Bremer Rechtsanwalt Gerd Baisch ist ziemlich enttäuscht vom Bremer Senat: „Das ist ein düsteres Kapitel in Bremen geblieben.“ Mehr als zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des „Radikalenerlasses“, nach mehr als 20 Jahren Berufsverbote ist immer noch kein Ende der unrühmlichen Geschichte in Sicht. Noch immer warten die Opfer der staatlichen Praxis auf eine volle öffentliche Rehabilitation vom Senat, noch immer warten sie auf Entschädigung. Noch nicht einmal die entgangenen Sozialbeiträge sind im Nachhinein erstattet worden.

Aber nun scheint es eine vage Hoffnung zu geben. Die Grünen wollen in der Bürgerschaft für eine volle Rehabilitierung kämpfen, und Sprecher von CDU und SPD haben Diskussionsbereitschaft signalisiert. „Die Bremer Verwaltungspraxis muß überprüft werden“, sagte der CDU-Justizpolitier Frank Lutz.

Der Anlaß für die erneute Diskussion über den Radikalenerlaß liegt in Straßburg. Dort hat Ende September der Europäische Gerichtshof ein Urteil über einen Fall aus Niedersachsen gefällt. Eine Lehrerin hatte geklagt. Sie war wegen ihrer Kandidatur für die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) bei der 86er Landtagswahl 1987 „aus dem Schuldienst entfernt“ worden, hatte aber erfolgreich geklagt. Nach ihrer Wiedereinstellung 1991 wollte sie nun eine Entschädigung für entgangene Dienstbezüge und geleistete Anwaltskosten haben – und bekam nun in Straßburg recht.

Ein Anlaß zur Diskussion, aber auch ein Hoffnungsschimmer für alle Bremer Betroffenen? Kaum. Denn die Bremer Berufsverbote wurden bis auf wenige Ausnahmen von allen Gerichtsinstanzen bestätigt. Und was danach kam, das ist bremisch-unübersichtlich. Es ist noch nicht einmal bei der Senatskommission für das Personalwesen herauszubekommen, wieviele BremerInnen eigentlich betroffen waren. „Allein 20 bis 30 würde ich zusammenbekommen“, sagt Anwalt Baisch, der viele der Prozesse geführt hat. Das war vor allem in den 70er Jahren, Anfang der 80er Jahre war Schluß. Der Rückzug begann.

Wer aus dem Schuldienst geworfen worden war, hatte Chancen auf Rückkehr. Dabei reagierte die Behörde nur auf Druck vom Personalrat. Nach und nach wurden die Opfer angesprochen. Wer wollte, durfte wieder. Sieben wollten, sagt jetzt eine Sprecherin des Bildungsressorts. Aber erstens wurden die verhinderten LehrerInnen auf halbe Stellen gesetzt und mußten lange um volle Beschäftigung kämpfen. Zweitens wurde ihnen die Verbeamtung, die in ihren Jahrgängen noch üblich war, verwehrt. Drittens haben sie über Jahre in wesentlich schlechter bezahlten Jobs arbeiten müssen – auf die entgangenen Bezüge warten sie genauso wie auf Nachzahlungen in die Sozialversicherung. Und viertens waren die aus dem Schuldienst die einzigen, die wieder eingestellt wurden. Für alle anderen gilt nach wie vor das Berufsverbot.

Woanders war das anders. Zum Beispiel in Niedersachsen. Da hat Gerhard Schröder den Erlaß von 1972 schon vor Jahren als großen politischen Fehler bezeichnet. In Bremen: Fehlanzeige. Ende 1992 hatte der jetzige Innensenator Ralf Borttscheller, damals noch für die CDU-Opposition, die verschärfte Anwendung des Radikalenerlasses gefordert, diesmal, um Rechtsextremisten aus dem Öffentlichen Dienst rauszuhalten. Bei der Debatte um den CDU-Antrag hatte Fritz Dopatka, Chef der SKP, versprochen, der Senat werde sich mit dem Thema befassen. Seitdem ist nichts passiert. Als Schröder vom Erlaß abrückte, haben einige Betroffene in einem Brief an den Bildungssenator um eine bremische Geste angefragt. Die ist bis heute nicht erfolgt. „Wir sollten die Frage der Wiedergutmachung prüfen“, sagte gestern Horst Isola von der SPD. Und sein CDU-Koalitionskollege Lutz meinte: „Da müssen wir uns drum kümmern.

Den Anlaß dazu wird es bald geben. Die Grünen planen einen Vorstoß. Fraktionssprecher Dieter Mützelburg: „Die Forderung ist einfach. Der Präsident des Senats soll die Leute alle rehabilitieren.“ J.G.