: „Das ist nicht lustig“
■ betr.: „Nach der Heirat können wir uns berühren“, taz vom 4. 10. 95, LeserInnen briefe, taz vom 9., 12. 10. 95
[...] Arno Luik stellt verzerrte Bilder vom Islam dar, weil er wahrscheinlich die verfälschten Informationen über den Islam und die falschen Übersetzungen des Koran von den Panikmachern, „Orient- Experte“ Konzelmann und Scholl- Latour, nahm. Er vergleicht eine freiwillig kopftuchtragende muslimische Frau mit einer chinesischen, die um die Jahrhundertwende in Fesseln war. Nach seiner visuellen Wahrnehmung wird die Muslimin auf ihr Kopftuch reduziert. Er betrachtet sie also als gefesselten verschleierten irregeleiteten „Gegenstand“, und er soll – als Vertreter des Weltgewissens – diesen „Gegenstand“ missionarisch wieder rechtleiten, auch wenn sein Objekt nicht seiner Meinung ist. Fatemeh Amin sagt: „Das Kopftuch macht mich frei.“ Arno Luik meint: Nein, du bist gefesselt. Sie sagt: „Ich kann dennoch tun, was ich will.“ Dann meint er: Du bist unterdrückt, das heißt, er versteht die Freiheit nur als Kleidungsfreiheit. Seine Fragen haben zum Stärken und Bestätigen des „Feindbildes Islam“ beigetragen, weil die „Intellektuellen“ hierzulande durchaus nicht wollen, daß die alten Vorurteile abgebaut werden; nach der Maxime: Ein alter Irrtum hat mehr Anhänger als eine neue Wahrheit. A. Allatif, Tübingen
Ich bin 15. Ich bin Türkin. Ich muß einen Schleier tragen. Das ist nicht lustig. Ich leide. Manchmal schreie ich. Ich fühle mich als Gefangene. Ich darf das nicht. Ich darf dies nicht. Manchmal nehme ich das Kopftuch ab. Dann muß ich aufpassen, daß mich niemand sieht. Eine Deutsche kann sich so ein Leben nicht vorstellen. Itatice, Schülerin
Nach so viel brieflicher Schelte möchte ich Arno Luiks Interview mit der orthodoxen Moslemin Fatemeh Amin verteidigen. Ich fühlte mich jüngst ähnlich befremdet, als ein Geld für eine Exilpartei sammelnder Iraner auf der Straße nach langer Diskussion über die Ziele der Partei zwar meine Geldspende, aber nicht die spontan gereichte Hand akzeptieren wollte. Ich zog sofort beides zurück, da ich den „backlash“ zur Orthodoxie auch unter Emigranten auf keinen Fall unterstützen möchte.
Immer wieder erstaunt mich die Großzügigkeit gegenüber sogenannten religiösen Überzeugungen, auch wenn der Rückfall in engstirnigsten Fanatismus offenkundig ist. Dabei ist die scheinbar harmlose vereinzelte dogmatische Unbeirrbarkeit, gepaart mit haarsträubender Unwissenheit, hier über die Verhältnisse im Iran, als Massenwahn im höchsten Maße gefährlich für jede freie Gesellschaft. Darüber hinaus verweisen die stereotypen, weithin kollektiven Argumente der derzeitig über den Druck zur religiösen Identität in der Emigration mehr und mehr verhüllten Mosleminnen auf die traurige Tatsache, wie sehr Frauen immer wieder imstande sind, die ihnen verordnete Minderwertigkeit zu verinnerlichen. Isabel Kocsis, Düsseldorf
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