: Wer schwenkt denn da ein totes Huhn? Von Ralf Sotscheck
Auf welchen Namen taufte Susan Day aus der englischen Grafschaft Hertfordshire ihren Sohn, nachdem der Priester moniert hatte, „Sunny Day“ klinge zu albern? Sie nannte ihn „Zipperdedoodah“. Wer das weiß, hat gute Chancen beim „Trivial Pursuit“, jenem Brettspiel, bei dem es um die Anhäufung von Trivialwissen geht. Zwar ist es nicht mehr der große Verkaufsschlager, der es mit mehr als einer Million verkauften Exemplaren im Jahr anfangs war, aber die jeden Herbst aktualisierte Fassung geht noch immer 150.000mal über den Ladentisch.
In der vergangenen Woche wurde die britische Neuausgabe im Londoner Palladium vorgestellt, und die Prominenz des Banalen, die auf den kleinen Plastikkärtchen verewigt worden ist, war in Scharen gekommen. Zum Beispiel der Schauspieler Rick Mayall, der über den Ausstieg seines Kollegen Stephen Fry aus dem gemeinsamen Theaterstück so erbost war, daß er mit einer Spielzeugpistole im Covent Garden herumballerte. Er wurde verhaftet und zeigte Einsicht: „Die Polizei hat völlig richtig gehandelt, ich hätte ja ein Wahnsinniger mit einer echten Pistole sein können“, meinte er reuevoll. „Dabei war ich nur ein Wahnsinniger mit einer Spielzeugpistole.“ Jonathan Hartmann wäre auch gerne Schauspieler geworden. Um seinen Traum wenigstens nach seinem Tod zu verwirklichen, hat er seinen Schädel der Königlichen Shakespeare-Gesellschaft testamentarisch vermacht, damit er als Yorick im „Hamlet“ dabeisein kann. Nicht gerade eine oscarverdächtige Rolle.
Und dann war da noch Neil Rilet, dem gerichtlich untersagt wurde, ein totes Huhn im Stadion an der Maine Road jedesmal durch die Luft zu schwenken, wenn sein Fußballverein Manchester City ein Tor geschossen hatte. Das hühnerfreundliche Urteil war übrigens völlig unnötig, da Manchester City in den letzten fünf Spielen kein Tor gelungen ist und die Mannschaft abgeschlagen am Tabellenende steht.
Die Queen, so heißt es, spiele immer wieder gerne „Trivial Pursuit“. Das Spiel sei in Großbritannien, wo Fernsehquizsendungen hohe Einschaltquoten erzielen, auf die „weißen Yuppies der gehobenen Mittelschicht“ zugeschnitten, meint Jak Bebeula, ein schwarzer Sozialarbeiter und Popsänger aus London. Er hat deshalb vor einem Jahr eine „schwarze Version“ des Spiels auf den Markt gebracht – beziehungsweise eine „nubische Version“, wie Bebeula es nennt. Das Spiel heißt denn auch „Nubian Jak“. In Brixton, einem überwiegend schwarzen Londoner Stadtteil, hat das Spiel den weißen Konkurrenten in diesem Jahr weit hinter sich gelassen, es wurden bisher rund 10.000 Stück verkauft.
Bebeula hält sein Brettspiel für ein „erzieherisches, unpolitisches Medium, das Vorurteile abbauen“ könne: „Schwarze Kultur ist eben mehr als Bob Marley und Pelé.“ Wer hätte zum Beispiel gewußt, daß die Freiheitsstatue in New York ursprünglich eine schwarze Frau darstellen sollte? Nie werde er dank „Trivial Pursuit“ vergessen, sagt Bebeula, daß Hampstead den tiefsten U-Bahnhof in Großbritannien hat. „Wer Nubian Jak spielt, wird sich hoffentlich für den Rest des Lebens merken“, sagt er, „daß Stonehenge von einem afrikanischen Stamm gebaut wurde und Beethoven maurischer Abstammung war.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen