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■ Die Legende vom EinflußNur Schützenhilfe

Ob und wie stark Journalisten politische Entscheidungen beeinflussen, ist vor allem für die Angehörigen der Zunft selbst ein großes Thema. Für den Normalbürger ist das gar nicht so wichtig. Das kann ein Vorteil sein, schließlich muß er seinen Kopf nicht mit Legenden belasten. Aber auch ein Nachteil, wenn er zu wenig darüber nachdenkt, wer ihm da was vorsetzt und warum. Daß es immer Journalisten gibt, die zu großem politischem Einfluß oder gar zu Macht kommen, ist verbürgt, und zwar in verschiedenen Systemen. Italiens Diktator Mussolini begann als Journalist, Deutschlands Willy Brandt war auch einer, ebenso der letzte kommunistische Ministerpräsident Polens, Rakowski. Doch das sagt nichts aus über den Einfluß des Journalismus als solchen, auch wenn das Thema immer wieder hochkommt.

In Italien opponierten im vergangenen Jahr gut 80 Prozent der Printmedien, zwei Drittel der Rundfunksender und die Hälfte der Fernsehsender noch gegen Medienzar Berlusconi, der sich, abgesehen von den eigenen TV-Sendern, nur auf sein il Giornale stützen konnte. Überdies war ihm der charismatische Chefredakteur Indro Montanelli abhanden gekommen; der feuerte jetzt mit einer eigenen Zeitung Salven gegen seinen ehemaligen Chef ab. Trotzdem gewann Berlusconi die Wahl. Und unmittelbar darauf brachte er faktisch das gesamte Fernsehen sowie die wichtigsten Rundfunkketten unter seine Kontrolle. Auch eine Reihe von Zeitungen wechselte die Fronten. Doch trotz dieser weitgehenden Gleichschaltung der Medien verlor Berlusconi von da an alle Wahlen. Macht des Journalismus?

Journalismus kann bestehende Tendenzen verstärken oder verfälschen, er kann Leute bekanntmachen, schlechte Entwicklungen dauerhaft schönreden, bekannte Leute unbekannt machen. Selbst in Diktaturen gelingt es nicht auf Dauer, mit journalistischen Mitteln Desaster und Mißwirtschaft wegzureden. Weder im Ostblock noch in Chile noch in Entwicklungsstaaten ist derlei auf lange Sicht gelungen. Ein uncharismatischer Politiker bleibt auch nach noch so vielen Lobgesängen uncharismatisch. Einem Gesetz, das gegen das Volk gerichtet ist, kann zwar mit Hilfe der Polizei zur Geltung verholfen werden, nicht aber von Journalisten. Die können nur Schützenhilfe leisten.

Das allerdings ist manchmal gefährlich genug. Auch wenn man ihr keine politische Macht zuspricht – die Presse kann jedem Volk massiv schaden, wenn sie sich kritiklos mit der Macht verbündet. Ester D'Avigo

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