: Gute Noten für die Bündnisgrünen
■ Eine Große Koalition führt stets zur Schwächung der Regierungsparteien, meint die „Forschungsgruppe Wahlen“
Das Wahlergebnis in Berlin zeigt, daß es für beide Volksparteien kaum möglich ist, aus einer Großen Koalition gestärkt hervorzugehen. Denn die CDU mußte Verluste hinnehmen, obwohl die Voraussetzungen bei der Abgeordnetenhauswahl für sie überaus günstig waren. Sie konnte im Gegensatz zur SPD von einer äußerst positiven bundespolitischen Stimmung profitieren, und auch die Zufriedenheit mit der Arbeit der Berliner CDU und ihres Spitzenkandidaten Eberhard Diepgen war gerade gegenüber der SPD vergleichsweise groß.
So plädierten 50 Prozent aller Berliner für Diepgen als Regierenden Bürgermeister, nur 32 Prozent sprachen sich für Ingrid Stahmer aus. Auch bei den Kompetenzen zur Lösung der wichtigsten Probleme in Berlin verfügt die CDU zumeist über einen Vorsprung vor der SPD. Besonders deutlich fällt dieser bei der Wirtschaftskompetenz aus: 50 Prozent trauen eher der CDU, nur 15 Prozent eher der SPD zu, die Wirtschaftslage in Berlin zu verbessern.
Während die CDU im Osten Berlins ihre Position weitgehend behaupten konnte, erlebte die SPD dort mit zweistelligen Verlusten (minus 11,9) ein Fiasko. Insgesamt mußte sie das schlechteste Ergebnis hinnehmen, das sie jemals bei einer Wahl in Berlin hatte. Der SPD als Regierungspartner gelang es nicht, in der Konkurrenz mit den anderen Parteien des linken Spektrums, die Unzufriedenheit insbesondere im Osten zu kanalisieren.
Die Ursachen dafür sind vielfältig: Zum einen litt die SPD in Berlin unter der derzeit äußerst ungünstigen bundespolitischen Stimmung. Zum anderen verunsicherte die fehlende Koalitionsaussage der SPD ihre Anhängerschaft, die allerdings in dieser Frage gespalten ist: 44 Prozent sprachen sich für Rot-Grün und 39 Prozent für die Große Koalition aus. Besonders deutlich zeigen sich die Probleme der SPD auch darin, daß sie in der Arbeiterschaft, ihrer traditionellen Klientel, nur noch 26 Prozent der Stimmen erhält und damit hinter der CDU liegt (33 Prozent).
Die Grünen erzielen mit 13,2 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis in Berlin. Ihr Erfolg ist zum einen auf die positive Beurteilung ihrer Oppositionsarbeit zurückzuführen: Von den bisherigen drei Oppositionsparteien FDP, PDS und Grüne erhalten die Grünen die mit Abstand besten Beurteilungen. Zum anderen resultiert das gute Abschneiden auch daraus, daß die Bundeshauptstadt mit ihrem großstädtischen Milieu für sie äußerst günstige Strukturen aufweist.
Hauptgewinnerin ist die PDS. Besonders erfolgreich war sie bei den Angestellten und Beamten im Osten, wo sie 40 Prozent der Stimmen erhielt, sowie bei der großen Gruppe der Konfessionslosen (43 Prozent). Vor allem bei den unter 25jährigen sowie bei über 60jährigen hat die PDS bei den Männern (43 Prozent) viel besser abgeschnitten als bei den Frauen (34 Prozent bzw. 29 Prozent).
Relativiert werden die Verluste der CDU sowie die Gewinne der PDS und der Grünen durch einen Vergleich mit den Ergebnissen der Bundestagswahl vor einem Jahr, die ein typischeres Bild der parteipolitischen Präferenzen in Berlin liefert als die Abgeordnetenhauswahl 1990, die ganz im Zeichen der Wiedervereinigung stand. Im Vergleich zur Bundestagswahl vor einem Jahr zeigt sich, daß nur die CDU (plus 12.897) und die Grünen (plus 20.790) trotz niedrigerer Wahlbeteiligung jetzt mehr Wähler gewinnen konnten. Dieser Vergleich zeigt, daß das Abschneiden der PDS in Berlin nichts Neues darstellt. Sie hat jetzt weniger Wähler als vor einem Jahr (minus 45.223). Verheerend fällt der Vergleich bei der SPD aus, die 269.563 Wähler weniger hat.
Obwohl die Große Koalition rund zehn Prozent verloren hat, haben die Wähler keiner anderen Koalition eine Mehrheit gegeben. Das gute Ergebnis für die PDS, die als Koalitionspartner für alle anderen Parteien ausscheidet, führt dazu, daß die Schwierigkeiten steigen, regierungsfähige Mehrheiten jenseits der Großen Koalition zu finden. Die Schwäche der FDP – nicht nur in Berlin – verhindert eine Mehrheit für die bürgerlichen Parteien, die Schwäche der SPD – nicht nur in Berlin – verhindert eine Mehrheit für Rot-Grün. dpa
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