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„Ohne Leary keine Hippies, kein Dylan, keine Beatles“

Timothy Leary, 75, hat eine ganze Generation angetörnt. Tausende von Blumenkindern in den 60ern und 70ern folgten dem abgefahrenen Propheten einer neuen Drogenkultur, der den LSD-Kick zur Bewußtseinserweiterung propagierte. Für die protestbewegte amerikanische Jugend war Leary ein Vorbild im Kampf gegen das Establishment. Politiker und besorgte Eltern hielten ihn wahlweise für wahnsinnig oder gemeingefährlich.

Auch nach dem Ende von Vietnamkrieg und Flower Power blieb Leary auf Kollisionskurs zum Mainstream. Ausgiebig tüftelte er an Plänen zur Besiedelung des Weltalls oder suchte nach Möglichkeiten, das Leben zu verlängern und die menschliche Intelligenz zu steigern. Für die frühen Freaks der Virtual Reality wurde der Wissenschaftler einer der Vordenker für den kreativen Umgang mit Computern.

Dabei begann Learys irrwitzige Biographie geradezu konventionell: 1920 in Springfield, Massachusetts, geboren, absolvierte er die Elite-Militärschule Westpoint, promovierte an der Edel-Uni Berkeley in Psychologie und bekam 1960 überraschend einen Lehrauftrag in Harvard. Der Karriereknick kam noch im gleichen Jahr: Wer weiß, was passiert wäre, hätte Leary in Mexiko nicht die Magic Mushrooms probiert, Pilze mit halluzinogener Wirkung, die ihm den ersten Kick seines Lebens verschafften. Von da an war er nicht mehr zu bremsen.

In Harvard baute er ein Forschungszentrum für psychedelische Drogen auf. Drei Jahre lang experimentierten Leary und seine Kollegen mit den Trips, die sie nicht nur Studenten, sondern auch sich selbst verabreichten. Das konnte nicht gutgehen: Leary mußte die Uni 1963 verlassen, sein Institut wurde dichtgemacht. In New York war der Wissenschaftler bald ein anerkannter Star der Künstlerszene. Kurzzeitig versuchte er sich auch in der Politik: Bei den Gouverneurswahlen in Kalifornien trat er 1969 gegen Ronald Reagan an. Letzterer gewann. Doch Learys Wahlkampfslogan „Come together“ wurde ein Hit – John Lennon machte für die Beatles einen Song draus.

Bei Lennons Bed-In in Montreal war der „Drogenpapst“ dabei, und er spielte Percussion, als Lennon „Give peace a chance“ komponierte. 1970 wurde Leary wegen Drogenmißbrauchs verurteilt, floh aber aus dem Knast. Polizei und CIA machten gnadenlos Jagd auf ihn: 1973 wurde er in Afghanistan verhaftet und ausgeliefert. Drei Jahre saß Leary hinter Gittern. Als er wieder raus kam, war es mit der Hippiebewegung vorbei.

Leary begann, sich mit Computern zu beschäftigen und entwickelte eigensinnige Software- Programme. Schließlich seien PCs nichts anderes als Drogen – ein Mittel zur Verbesserung der Kommunikation –, wie sein Credo lautet. Für den Hanfologen Mathias Bröckers ist Leary immer noch „eine der wichtigsten Figuren unserer Zeit: Ohne Leary keine Hippies, kein Dylan, keine Beatles, keine 68er-Kulturrevolution.“ Heute wohnt Leary in Beverly Hills, hat Krebs, aber keine Angst vor dem Sterben: „Wenn man die 50 erst mal überschritten hat, ist der Tod das nächste große Ereignis.“

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