: Unterm Strich
Heiner Müller, der von Verduns Bürgermeister wegen Beleidigung von Kriegsveteranen zur „unerwünschten Person“ erklärt wurde und von den Kulturveranstaltungen im Juni 1996 zum Gedenken an die Schlacht von Verdun ausgeladen werden soll, fühlt sich gründlich mißverstanden. Über seine Ehefrau ließ Müller, der sich derzeit in einem Sanatorium befindet, erklären, er habe zwar in einem – zum Teil in englischer Sprache geführten – Interview mit einer französischen Journalistin im Zusammenhang von Kriegsdenkmälern von Kitsch gesprochen. Allerdings nicht in der bisher zitierten und publizierten Form. Wie er es wirklich gemeint hat, will Müller demnächst selbst erläutern. Auch habe er nicht vor, in Verdun ein Theaterstück zu inszenieren, weil er dafür gar keine Zeit habe.
Österreichs Künstler fürchten zunehmend einen möglichen Kanzler Jörg Haider. „Wenn Haider regiert, bleibt immer noch die Emigration, die äußere wie die innere“, resignierte der Burg-Schauspieler Michael Heltau in einem Interview mit der Zeitschrift News. Standhalten will dagegen Helmut Lohner, designierter Direktor des Theaters in der Josefstadt: „Nicht resignieren, nicht auswandern“, rät er: „Die Kulturschaffenden müssen sich gegen Haider solidarisieren.“ Wie eine „freiheitliche“ Kulturpolitik aussehen könnte, hat Haider, den man nach einem Gerichtsurteil „politischer Ziehvater und Ideologe des rechtsextremen Terrorismus“ nennen darf, bereits deutlich gemacht. Die staatlichen Zuschüsse für die Kunst sollen um die Hälfte gekürzt, Künstler gefeuert werden. Wer damit gemeint ist, verriet ein Wahlplakat der Wiener Freiheitlichen: „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk... oder Kunst und Kultur?“ wurde da großformatig gefragt. „Das ist unterste nationalsozialistische Schublade“, erregte sich der Autor Josef Haslinger. Und Peter Turrini machte die Plakataktion am Rande der Frankfurter Buchmesse publik: Künstler und engagierte Kulturpolitiker würden „öffentlich denunziert und zum Abschuß freigegeben“. Haiders kleinbürgerliche Wählerschaft hat für die attackierten „Nestbeschmutzer“ aber wohl wenig Sympathien. Vor allem die AutorInnen haben ihre Landsleute immer wieder in unpopulärer Schärfe kritisiert. So vermutete der Autor Gerhard Roth, daß „sicher mehr als 50 Prozent der Österreicher Nazis“ seien.
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