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Teufel auf allen Etagen

■ Die „Bremer Höllen“ im Lagerhaus: Interaktives Aktionstheater mit infernalischen Visionen

Die Hölle ist die Wiederholung und die Familie das Grab der Zivilisation und, im schlechtesten Fall, sogar ein Hort des Bösen. Hans König, Erfinder und Koordinator der „Bremer Höllen“, findet griffige Formulierungen für seine Vorstellungen des modernen Infernos. „Keine Abendgarderobe! Für Leib und Seele wird nicht gehaftet“, verkündet er PR-gerecht, wenn heute abend das Publikum von „weltlichen, aber nicht minder bedrohlichen“ Teufeln empfangen und in Sackleinen gehüllt wird.

Interaktives und -mediales Aktionstheater auf allen Rängen und in allen Nischen des Lagerhauses steht auf dem Programm. Mehrere freie Kulturgruppen und über 100 Laienakteure steuern seit über einem halben Jahr Glut, Tanz und Töne bei zu den „Bremer Höllen“. Und auch wenn Koordinator Hans König nicht mit allem, was die Höllen befeuern soll, glücklich ist: Er nimmt's hin und versucht, alles unter einen Hut zu bringen.

Mit dem Megaphon dirigiert das Höllenpersonal, das im Innenhof des Lagerhauses und auf den Rängen dünngewandet und inbrünstig agiert und friert, über Megaphon. Am Eingang zum Glashaus Percussion auf Ölfässern: Die „Tambours de Bremen“ trommeln sich die Seele aus dem Leib, überlebensgroße Fratzen, in grelles Licht getaucht, beglotzen durchs Fenster Höllen und Vorhöllen im Innenhof. Dort zurrt sich gerade Christus, ein Schwarzer mit Boxerfigur, am Kreuz fest und wird mittels Flaschenzug in die Höhe gezogen. In einem rostigen Metallkäfig hockt fast nackt ein „Büßer“ ...

Inspirieren zu dem diabolischen Szenario ließ sich König von der Lagerhaus-Architektur mit ihren Winkeln, Balustraden, ihrem Werkstattcharakter. Und natürlich von den 50.000 Mark Fördergeldern, die das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft in einem „Artifex“ getauften Programm ausgeschüttet hat. Fördervoraussetzungen: Die oft zitierte „Vernetzung“ verschiedener kultureller Aktivitäten, die Arbeit mit Jugendlichen, die Herstellung von Öffentlichkeit und – noch ein Schlagwort – die Intermedialität.

Wie sehen zeitgemäße Höllen aus? Hier sind es Zwänge und Rituale. Ordnungs- und Waschzwänge gibt es da, Bulimie, Fitness- und Konsumzwänge, Narzißmus. Mit dem Gang in die tiefergelegene Hölle werden dann Zwänge, Neurosen und Wiederholungen zur brennenden Qual – die sieben klassischen Todsünden kommen ins Spiel.

Doch die tiefste Hölle ist in der Bremer Variante gefroren, ausweglos, starr. Gott in ständigem Kampf mit dem Teufel. Dargestellt in einem Ringkampf zwischen Gut und Böse unter dem Gejohle der Höllenhüter.

Um Antagonismen geht es Hans König. Und um „Archetypen menschlicher Leidensformen“: Entfremdung, ewige Suche, ewige Hoffnung, Kampf mit dem Bösen in sich selbst. Womit sich zeigt, daß soziokulturelle Mini-Spektakel wie dieses nicht bloß zeitgeistiger Selbstfindung dienen, sondern unzeitgemäßen metaphysischen Fragestellungen durchaus Raum geben.

„Der Glaube soll nicht von der Reflektion abhalten. Die Menschheit soll reflektieren“, so König.

Alexander Musik

„Bremer Höllen, heute und morgen, 20 Uhr, Lagerhaus

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