Sanssouci: Vorschlag
■ Uneinheitlich schräg: Das 5. Musikerinnenfestival „Wie es ihr gefällt“, diesmal in der KulturBrauerei
Das Musikerinnenfestival „Wie es ihr gefällt“ ist mittlerweile zur Institution geworden. Angefangen hatte alles vor fünf Jahren, also noch lange Zeit vor dem großen Boom der zottelhaarigen Frauenrockbands und der mittlerweile allgegenwärtigen Girlie-Attitüde. Im Laufe einer Forschungsarbeit über die Entstehung und Entwicklung der Frauenmusikszene war Inge Morgenroth, einer der Veranstalterinnen, aufgefallen, daß es viel mehr Frauen gibt, die Musik machen, als sich das in Konzerten und Platten niederschlägt. Mit ihrem Musikerinnenfestival wollte Morgenroth jungen Frauenbands Auftrittsmöglichkeiten und Kontakte bieten, und schon der erste Versuch 1991 wurde zu einem Erfolg.
Die Musikwelt hatte auf diese Einrichtung anscheinend nur gewartet. Die Musikkritikerin und Mitveranstalterin Anna- Bianca Krause schwärmt noch heute: „Wir wurden zur Zentrale für Musikerinnen aus der ganzen Welt. Von überall bekamen wir Demo-Bänder und CDs geschickt.“ Die Resonanz ist enorm – nicht nur unter den Künstlerinnen, sondern auch bei der Zuhörerschaft, die wohlgemerkt nicht nur aus Frauen besteht. Aus räumlichen Gründen findet die Veranstaltung jetzt erstmals in der KulturBrauerei statt.
Wer auf seine Kosten kommen will, muß eine gehörige Portion Abenteuergeist mitbringen, denn die meisten Künstlerinnen lassen sich kaum in eine bestimmte musikalische Ecke stellen. Die Grenzen zwischen U- und E- Musik, Klassik, Traditionellem und Pop verschwinden. So vielfältig ihre Stile auch sein mögen, eines ist den Musikerinnen gemein: Sie sind schräg, originell, spannend und professionell.
Wie zum Beispiel die in Hongkong geborene Pianistin Lee Pui Ming aus Toronto, die schon im Alter von drei Jahren von ihrer Mutter, einer Musiklehrerin, vor das Klavier geklemmt wurde. Nach einem Studium klassischer Musik in Minneapolis fabriziert sie heute eine Melange aus traditionell chinesischen Volksweisen und modernen westlichen Jazz-Elementen. Oder die Japanerin Tenko, die heute abend mit der kanadischen Band Justine auftreten wird: Schon in den 70er Jahren schockierte sie mit dem recht sperrigen Sound ihres Frauenquintetts Mizutama Shobodan, das so gar nichts japanisch Zurückhaltendes an sich hatte, die Musikwelt. 1984 hatte sie erstmals einen Solo-Auftritt in New York und ist seitdem regelmäßiger Gast in den New Yorker Avantgarde- Schmieden der Knitting Factory und den CBGBs. Shirley Hofmann, Kanadierin böhmischer Herkunft, fühlt sich nicht nur dem Blechblasinstrument verpflichtet, sondern setzt sich auch über die Genre-Grenzen von Konzert, Show, Kabarett und Theater hinweg. Ebenso freigeistig verläuft die Nummernrevue einer Berlinerin, die sich Göttin Gala nennt und irgend etwas
zwischen Klangperformance, Lesung und Musikvarieté fabriziert.
Justine spielen heute abend mit Tenko Foto: promo
Auch wenn man sichtlich bemüht war, dem Festivalprogramm einen einigermaßen kohärenten Charakter zu geben, klaffen die Musikrichtungen an den vier Abenden weit auseinander. Ebenso uneinheitlich ist das Alter der Künstlerinnen. Die älteste Dame ist die Irin deutscher Abstammung, Agnes Bernelle, mit ihren mittlerweile 72 Jahren. Eine 16jährige Rapperin der Schweizer Formation Wemean ist die jüngste. Sie durfte letztes Jahr trotz Einladung nicht dabeisein, weil ihr Vater einen Aufenthalt in Berlin noch als „zu gefährlich“ erachtete.
„Wir legen großen Wert darauf, zu betonen, daß wir keine normale Frauen-Rock-Veranstaltung machen, sondern ein Musikerinnen-Festival mit großer Bandbreite“, betont Anna- Bianca Krause. Ob Chansons, Popmusik, Jazz oder avantgardistische Experimente, Atonales oder Harmonisches – hier ist für jeden etwas dabei. Kirsten Niemann
Heute spielen Göttin Gala, Linda Potatoes, Rebecca Moore und Justine & Tenko; morgen Shirley Hofmann, Wemean und Mama Kumba; am Sonntag Alhambra, Anne LeBaron und Lee Pui Ming. Einlaß jeweils 19.30 Uhr.
KulturBrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg
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