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Ein politisches Leichtgewicht

Gesichter der Großstadt: Die bündnisgrüne Kreuzberger Baustadträtin Erika Romberg will neue Bezirksbürgermeisterin werden  ■ Von Dorothee Winden

„Es ist eine Katastrophe, daß sie Bürgermeisterkandidatin ist“, sagt ein langjähriger Kreuzberger Stadtteilaktivist über die bündnisgrüne Baustadträtin Erika Romberg. „Das muß jemand machen, der weiß, was für Kreuzberg wichtig ist. Die Grünen haben wohl niemand anders.“

Das war vor der Wahl. Nach dem 22. Oktober sind die Bündnisgrünen in Kreuzberg über Nacht zur stärksten Kraft im Bezirk geworden. Jetzt ist der Ernstfall eingetreten. Die Baustadträtin will Bürgermeisterin werden.

Hieße die Kandidatin nicht Erika Romberg, ginge die Wahl einer grünen Bezirksbürgermeisterin wohl relativ glatt über die Bühne. Doch die 38jährige mit der grünen Strähne im Haar ist bei CDU und den Sozialdemokraten höchst umstritten. Schon ihr Name entlockt deren Vertreter nur ein entnervtes Stöhnen.

Die Grünen hat das hervorragende Wahlergebnis kalt erwischt. Niemand in der Igelpartei hatte an eine reale Chance geglaubt, das Bürgermeisteramt besetzen zu können. Deshalb stellte sich die Frage, ob die Kandidatin auch bei den anderen Fraktionen mehrheitsfähig ist, gar nicht.

Romberg hatte sich im Mai in einer Kampfabstimmung knapp gegen den blassen Fraktionsvorsitzenden Franz Schulz durchgesetzt. Die Verhandlungen um die Besetzung des Kreuzberger Bezirksamtes werden sich schwierig gestalten. Romberg zu wählen, sei „sehr, sehr schwierig“, ist aus der Kreuzberger SPD zu hören.

Bei der CDU ist gar keine Bereitschaft auszumachen, für Romberg zu stimmen. SPD und CDU werfen ihr vor, mehrmals Beschlüsse der BVV mißachtet zu haben. Sie habe etwa beim Tempodrom-Standort den Bogen überspannt, so ein SPD-Mann.

Romberg sieht das freilich anders. „Ich sehe mich durch das Naturschutzgesetz veranlaßt, das Tempodrom von der Hochfläche des Anhalter Bahnhofs zu verlegen“, sagt sie. Genau dort hatte es laut BVV-Beschluß plaziert werden sollen. Damit handelte sie sich den ersten Abwahlantrag der CDU-Fraktion ein.

Romberg ist keine Taktikerin. Sie hält hartnäckig an ihrer Linie fest, auch wenn nichts mehr zu machen ist, anstatt im richtigen Moment durch geschicktes Verhandeln und Überzeugungsarbeit Kompromisse zu erzielen. Beim politischen Gegner hat sie sich damit den Ruf der Sturheit eingehandelt.

Auch einen zweiten Abwahlantrag der CDU wegen des Baulogistikzentrums am Gleisdreieck überstand sie. Die CDU warf ihr vor, die Baulogistik für den Potsdamer Platz verzögern zu wollen. Doch auch hier führt Romberg ins Feld, daß für die umstrittene Baustraße keine gesetzliche Grundlage vorhanden war. Den Clinch mit der Senatsverwaltung verlor sie zwar, konnte aber auch einen großen Erfolg verbuchen. Sie rechnete den von der Baulogistik angemeldeten Flächenbedarf nach und kam zu dem Ergebnis, daß eine kleinere Fläche ausreicht. So rettete sie ein fünf Hektar großes Wäldchen, das inzwischen „ein richtiger Urwald“ geworden ist.

Ein schwerer Fehler unterlief ihr dagegen beim Verein SO36. Weil sie es versäumte, die Gelder im Haushalt einzustellen, kann die Mieterberatung und Gemeinwesenarbeit jetzt nur noch mit einem Drittel der bisherigen Summe weitergeführt werden.

In der Öffentlichkeit gibt Romberg sich sehr entschlossen, aber es ist eine angestrengte Entschlossenheit. Sie ist sehr selbstbewußt, zuweilen aber auch zu sehr von sich überzeugt. Selbstkritik ist von ihr kaum zu hören, so, als ob ihr das als eine Schwäche ausgelegt werden könnte.

Gegen SPD-Bürgermeister Peter Strieder, der ihr gerne ins Ressort pfuschte, konnte sie sich nicht durchsetzen. Dafür kriegte er am Wahlabend eine Retourkutsche: „Wenn er will, kann er sich bei mir als Sozialstadtrat bewerben“, erklärte Romberg angesichts des schlechten SPD-Wahlergebnisses.

Als Baustadträtin verliert sich Romberg in Details. Am Rathaus eine Rampe für Kinderwagen und Rollstühle zu installieren ist gut und schön, aber das kann nur Beiwerk sein. Doch hiermit erschöpfen sich Rombergs Konzepte bereits.

Als Bürgermeisterin will sie sich dafür einsetzen, daß Musikschule, Volkshochschule und Bibliotheken vom Rotstift möglichst verschont bleiben. Auch die Konturen des Gleichstellungsamtes für Frauen und Immigranten, das sie schaffen will, sind noch unscharf.

Die zierliche Verwaltungsbeamtin ist politisch ein Leichtgewicht. Strategien zu entwickeln und Themen zu setzen ist nicht ihre Stärke, obwohl sie auf zwei Jahre Erfahrung als Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft zurückblicken kann. Hier war sie zu Zeiten der Frauenliste von November 1986 bis Februar 1989 für Energie- und Atompolitik, Müll und Verkehr zuständig. Zuvor hatte sie in der Hamburger Baubehörde sieben Jahre lang Energiekonzepte für die Universitäten und Krankenhäuser entwickelt.

Die anfängliche Skepsis gegen die „Auswärtige“ hat sich in Kreuzberg zwar gelegt, sie gilt als „sehr engagiert“. Doch gibt es auch kritische Stimmen. „Sie hat viel dazugelernt, aber das reicht nicht“, wird ihr von einem Grünennahen Stadtteilaktivisten bescheinigt.

Als ihr engster „Berater“ fungiert ausgerechnet Horst Schattner, ein Betroffenenvertreter im Rentenalter, der zu Hausbesetzerzeiten als Vermittler zwischen Besetzern und Senat auftrat. Für Rombergs dreijährigen Sohn Felix ist Schattner „Opa Horst“. Als Felix Bettchen noch bei Romberg im Büro stand, spielte Schattner schon mal den Babysitter. Der knorrige Alte, der früher in der Kohlfurter Straße einen wenig schwunghaften Handel mit Groschenromanen betrieb, kann zwar mit Kiezkenntnissen aufwarten – politischer Weitblick wird ihm allerdings nicht nachgesagt. So meint auch Ex-Baustadtrat Orlowsky: „Wenn sie auf Horst Schattner gehört hat, dann war's nicht immer der richtige Rat.“

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