■ Cash & Crash
: Septembermüll

Berlin (taz) – Mit Weizen hat es angefangen, jetzt ist man beim Müll angelangt. Die Warenbörse in Chicago, die vor 150 Jahren begann, den Getreidehandel in den USA über einen zentralen Markt abzuwickeln, hat vergangene Woche ein neues Handelsgut in ihr Angebot aufgenommen: verwertbare Abfälle.

Auf elektronischen Anschlagbrettern werden derzeit Ladungen alter Zeitungen angeboten, verschiedene Sorten getrennten Plastikmülls und mehrere Fuhren von Flaschenglas. Unter „Vermischtes“ lassen sich außerdem derzeit geschredderte Altreifen finden, für nur 12 Cents das Pfund. Letzte Woche wurde der erste Deal abgeschlossen, wie die Financial Times meldete. Der Papiermulti Weyerhauser erwarb von der Gemeinde Oswego im Staat New York knapp 100 Tonnen Altpapier, das diese über die Chicagoer Börse zum Verkauf angeboten hatte.

Das Chicago Board of Trade ist ein Markt, auf dem Güter virtuell, mittels ausgefeilter Elektronik, gehandelt werden. Der Sinn einer Zentralisierung des Handels liegt auf der Hand. Bisher nämlich schwanken die Preise für Altstoffe extrem. Im Sommer zum Beispiel wurde in den USA das Altpapier knapp. Eine Fuhre davon kostete auf einmal soviel wie eine Ladung Getreide. Nur drei Monate später waren die Preise von 120 auf 30 Dollar pro Tonne abgestürzt.

Bei solchen Preissprüngen, denen gegenüber die Devisenmärkte geradezu ruhig erscheinen, müssen Spekulanten hellhörig werden. Wer im Juni die Gelegenheit gehabt hätte, Termingeschäfte für den September abzuschließen, hätte riesige Gewinne einfahren können. Aber auch Recyclingunternehmen können sich mit Müllfutures oder -optionen gegen solche Preisschwankungen absichern und langfristige Kaufverträge zu vorab vereinbarten Preisen abschließen.

Der Markt für Sekundärrohstoffe wird in den USA auf sechs Milliarden Dollar im Jahr geschätzt. Steigerungen werden aber angesichts des erstarkenden Umweltbewußtseins erwartet. Darauf setzen auch die Manager der Warenbörse. Noch existiert nur das elektronische Anschlagbrett für Wertstoffe. Für den Zugang zur Informationstafel zahlen Unternehmen pro Jahr 1000 Dollar – noch zu wenig für die Börse, um daraus Gewinn zu schlagen. Doch schon bald, sagt Patrick Arbor, der Chef der Tauschbörse, will man den Handel mit Terminpapieren aufnehmen. lieb