: Mythische Feuerwehr
■ Die Basketballer von Alba Berlin erreichten auf dramatische Weise die Hauptrunde des Korac-Cups
Berlin (taz) – Nachdem Alba Berlin das Hinspiel der 3. Runde des Korac-Cups gegen Awtodoroshnik Saratow in Moskau mit 98:86 gewonnen hatte, überschlug sich die russische Presse förmlich vor Begeisterung über die Leistung des Teams von Svetislav Pesic. „Weltklasse“, lobte Sowjetski Sport, solch großartiges Basketball sei in der ZSKA-Halle lange nicht mehr gespielt worden, ein „perfektes Spiel“ bescheinigte Komsomolskaja Prawda dem Pokalverteidiger. Das Staunen der russischen Gazetten war verständlich, schließlich wissen sie genau, welch hervorragendes Basketball Awtodoroshnik Saratow aufs Parkett legen kann. In der Tabelle ist das mit Nationalspielern durchsetzte Team zwar nur Zweiter hinter ZSKA Moskau, aber genau diese ZSKA-Mannschaft wurde kürzlich mit 104:86 deklassiert.
Kein Wunder, daß Pesic vor dem Rückspiel nicht müde wurde, seine Spieler vor jeder Art von Überheblichkeit zu warnen, und das Programmheft sprach dem Coach mit seiner Charakterisierung des „extrem schnellen Tempo-Basketballs“ der Russen sicherlich aus dem Herzen: „Ein paar dumme Fehler und Saratow könnte mit seinen Fast Breaks ruck, zuck den 12- Punkte-Rückstand aus dem Hinspiel wettmachen.“ Genau so kam es.
Es dauerte gerade mal zweieinhalb Minuten, da lag Awtodoroshnik schon mit 14:2 vorn, bis zur 15. Minute wuchs die Führung zum Entsetzen des konsternierten Publikums sogar auf 19 Punkte an. „Wir legen los wie die Feuerwehr“, hatte Alba-Manager Marco Baldi versprochen, doch gegen den Brand, den Saratow in der Berliner Spielhälfte entfachte, fanden die Gastgeber kein Mittel. Die Russen spielten eher im Stile eines NBA- Teams als nach den Gepflogenheiten des behäbigen europäischen Spielaufbaus. Kaum hatten sie den Ball, rannten sie los wie von Wölfen gehetzt, ein kurzer Paß an die Dreipunktelinie, und schon saß der Ball im Korb, lange bevor die Berliner ihre Abwehrpositionen einnehmen konnten. Schafften sie es wenigstens mal, die Distanzwürfe zu verhindern, kamen blitzschnelle Pässe auf den litauischen Center Einikis oder den Routinier Sergej Iwanow, der im Hinspiel völlig untergegangen war, nun aber bedächtig einen Korb nach dem anderen erzielte.
Einzig Sascha Obradovic vermochte in dieser Phase auf Berliner Seite gegenzuhalten und den Schaden einigermaßen zu begrenzen. Bei Halbzeit stand es 44:62, Berliner Spielern und Publikum blieb nur die Hoffnung auf ein Erlahmen der furiosen Gegnerschaft, darauf, daß ihre fast gespenstische Treffsicherheit irgendwann ein Ende hatte, und auf ein baldiges Ausscheiden des mit vier Fouls belasteten Iwanow.
Die Hoffnungen waren allesamt berechtigt, wie sich im zweiten Abschnitt zeigte. „Das ist doch eine Unverschämtheit, was die mit uns in unserer Halle machen, jetzt kämpfen wir bis aufs Blut“, hatte der Slowene Teoman Alibegovic als Parole ausgegeben, doch es war weniger eine Steigerung der Berliner als ein krasses Nachlassen Saratows, das eine von den 3.500 Zuschauern in der ausverkauften Sömmeringhalle frenetisch bejubelte Aufholjagd ermöglichte. Ohne Iwanow, der zuerst auf der Bank saß und nach einem Kurzeinsatz acht Minuten vor Schluß tatsächlich sein fünftes Foul beging und ausschied, verlor Awtodoroshnik das innere Gleichgewicht, die Würfe wurden ungenau, die Spieler begannen sich untereinander anzugiften, und in der Defensive bekamen sie vor allem Obradovic (insgesamt 30 Punkte), Alibegovic (27) und Henrik Rödl (16) nicht mehr in den Griff. In der 36. Minute glich Obradovic erstmals aus (91:91), Sekunden später brachte er seinen Klub mit zwei Freiwürfen in Führung, und am Ende gab es doch noch einen deutlichen 106:97-Sieg.
„Ein Spiel, an das man sich noch lange erinnern kann“, freute sich Svetislav Pesic, „alle haben sie am Boden gelegen, und sie sind wieder aufgestanden.“ Der blutrünstige Alibegovic ergänzte: „Es ist wichtig, daß sich die Mannschaft zu Hause einen Mythos aufbaut.“ Das ist Alba mit dem Doppelsieg gegen Saratow und der neuerlichen, diesmal vor allem kämpferischen Glanzleistung wohl nicht nur in den Augen der russischen Presse gelungen. Das Team kann der Auslosung der Gruppen für die Hauptrunde des Korac-Cups jedenfalls gelassen entgegensehen. Bessere Mannschaften als Awtodoroshnik Saratow sind sicherlich nicht mehr im Topf. Matti Lieske
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