: POPs auf der Fahndungsliste
Auf UN-Konferenz in Washington einigen sich über 100 Staaten, daß gut ein Dutzend Chemikalien verboten werden müssen. Doch Geld und Verbindlichkeit fehlen ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Jack Weinberg ist zufrieden. Der Greenpeace-Giftexperte aus Washington hatte nicht erwartet, daß die in Washington versammelten Regierungsvertreter tatsächlich einen Bann für gut ein Dutzend besonders giftiger langlebiger Chlororganika wie DDT, PCB, Dieldrin, Toxafen sowie Dioxinen und Furanen auf ihre Fahnen schreiben würden. „Als die Konferenz begann, wollten nur die Skandinavier eine Deklaration zum Verbot der POPs (persistant organic pollutants = langlebige organische Gifte). Dann hat die EU mitgezogen und schließlich haben sich alle Staaten weitgehend darauf geeinigt.“ Nur Japan und Korea hätten noch hinhaltend Widerstand geleistet.
In der Tat haben die Industriestaaten in Washington ihren guten Willen bekundet, die Vergiftung der Weltmeere einzuschränken – allerdings nicht mehr. Schon vor Beginn der „UN-Konferenz zur Verschmutzung der Meere vom Land aus“ hatte der Gastgeber, US-Vizeaußenminister Timothy Wirth, der taz gesagt, daß es in Washington „kein Geld und keine bindenden Versprechungen“ geben werde. Außer mit den giftigen Chlorverbindungen mußte sich die Konferenz auch mit Abwasser- und Küstenmanagement befassen. 80 Prozent der Meeresverschmutzung entsteht an Land.
Guter Wille wurde auch von den Entwicklungsländern gebraucht. Sie haben begonnen, eigene Pestizidproduktionen aufzubauen und wollen sich die Einschränkung derselben nun mit Geld aus dem Norden vergüten lassen. „Doch in Washington hat keine Regierung ihr Portemonnaie geöffnet“, so Weinberg. Auch wenn die Weltbank bestehende Pläne vorlegt, bis zu 15 Milliarden Mark für die Abwasserreinigung zur Verfügung zu stellen.
Die chlororganischen Stoffe stehen schon lange auf der Fahndungsliste von Ökologen und Toxikologen. Das internationale Pestizid Action Network hat seit 1985 eine jährlich aktualisierte Liste erarbeitet, aus der hervorgeht, daß inzwischen in 90 Staaten eines oder mehrere der Pestizide des sogenannten „Dreckigen Dutzend“ verboten sind.
Die Liste zeigt allerdings auch, daß zum Beispiel Lindan in der Bundesrepublik nach wie vor als Mittel gegen Borkenkäfer und Kopfläuse erlaubt ist. In Großbritannien ist das verpönte Gift sogar das meistverwandte chlororganische Agrarpestizid. Auch auf der Washingtoner Liste ist Lindan nicht explizit erwähnt. Auch bestanden einige Regierungen darauf, bestimmte gefährliche Pestizide für die Sicherung ihrer Ernten weiter zu nutzen.
Auf zwei Wegen findet das Gift seinen Weg ins Meer. Entweder werden die Giftstoffe ausgewaschen und gelangen über die Flüsse in die Ozeane und verteilen sich dort. Das in der Karibik eingesetzte Pestizid Toxafen ist nach Greenpeace-Angaben in den vergangenen Jahren auch in der Nordsee nachgewiesen worden. Der Golfstrom hat das Pestizid mitgebracht.
Leichtflüchtige Chlororganika gelangen aber auch über den Luftweg ins Meer. Bei warmen Temperaturen verdunsten sie über Land und werden dann mit den Wolken hinaus auf den Ozean geschafft. In kühleren Regionen regnen sie dann aus, was in der eigentlich unberührten Natur der Arktis zu besonders hohen Giftkonzentrationen geführt hat. Die Arktis wird zu einer Art Giftdestille. „Hohe Konzentrationen von Chlororganika sind sogar in der Milch von Walkühen nachgewiesen worden“, erläutert Barbara Kamradt von Greenpeace Deutschland. Wegen dieser Transportwege sei das Problem gerade der flüchtigen Kohlenwasserstoffe auch nur global zu lösen.
Die von der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (Unep) gesponserte Konferenz in Washington soll der Start für die internationalen Verbotsbemühungen sein. Beschlossen worden war die Konferenz auf dem Erdgipfel in Rio 1992. Bis Anfang 1997 wollen die Staaten weitere konkrete Vorschläge auf den Tisch legen. Auch soll eine Informationszentrale etabliert werden, bei der die Regierungen Informationen über Giftstoffe und neue Technologien erhalten können.
Gewonnen ist der Kampf damit noch nicht. Baron Daniel Janssen, Chef des Chlorchemiekonzerns Solvay, kündigte schon an, daß die Industrie sich nach Kräften wehren werde. Vor etwaigen Verboten müsse jedes der 17.000 Chlororganika einzeln überprüft werden. US-Vizeaußenminister Wirth versprach schon vorab, keine Verbotsversprechen abzugeben, die sein Land nicht einhalten kann.
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