: Bereits Galileis Problem
■ Zwei Kunstausstellungen im Dialog zum Symposion „Interface 3“
Kunst und Internet haben als hochelaborierte Eigensysteme viele Ressentiments voreinander und sind doch vielfach voneinander fasziniert. Im Kunstverein hat die österreichische Künstlergruppe Knowbotic Research ihre eindrucksvolle interaktive Welt installiert, in der Benutzer mit Hilfe der live eingespielten Wetterdaten aus der Antarktis in einem Erlebnisraum navigieren können.
Dagegen fordert Ludwig Seyfarth, der Kurator der Interface begleitenden Kunstausstellung
Ein immer wiederholtes Filmstill von Elvis als Scheich, selbst schon ein Beispiel gesampelter Images, bevor es den Begriff überhaupt gab, grüßt von Christoph Steinbrenners Containerplastik. Von Cornelia Büschbell mit ihren Porträts von Fernsehapparaten zu Thomas Feuerstein mit seiner barocken Bildergalerie gerahmter Computersprache fordern alle acht Künstler ganzheitliche Erfahrung gegenüber digitaler Zerstückelung.
Das führt wortwörtlich der altgediente Medienkünstler Peter Weibel in seinen Scanning-Arbeiten vor, die Objekte in schmale, plexi-glasgetrennte Schichten zerlegen, bis daß ein mißlungenes Monitorbild zur gelungenen Plastik wird. Künstler haben immer die Wahrnehmungsbedingungen reflektiert. Schon 1973 handelt die hier rekonstruierte Videoinstallation Weibels von der „Beobachtung der Beobachtung“: Hier sieht sich der Betrachter wie in einem falschen Spiegel nur von hinten dabei, wie er auf den Monitor schaut.
Der Blick auf die Welt ist immer subjektiv, doch jede technische Erweiterung verändert ihn. Frank Fietzek richtet ein Fernrohr auf das zwölf Meter entfernte Foto des Pariser Arc de la Defense. Dabei wird dem Fernrohr das gleiche Bild digital eingespielt.
Bewegt man das Guckgerät, folgt der Computer mit geringer, aber merkbarer Verzögerung dieser Bewegung und gibt andere Ausschnitte, auch wenn es dabei bloß zur Decke gerichtet ist. Ein schönes Lehrstück über die technischen Wahrnehmungshilfen, 386 Jahre nachdem Galilei die venezianischen Notablen überzeugen mußte, daß er nicht die Sterne im Inneren des gerade erfundenen Fernrohres hatte malen lassen. Die Frage nach der Realität der Wahrnehmung ist wahrlich so neu nicht.
Hajo Schiff
Kunsthaus, Klosterwall, Di-So 11-18 Uhr, Do bis 21 Uhr; bis 3. Dezember; „Knowbotic Research“, Kunstverein, Klosterwall, bis 12. November
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