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Press-SchlagSchusters Leiden

■ Trainer Ribbeck schafft Mittelfeld ab

Eigentlich kann Erich Ribbeck verdammt froh sein, daß er den Schuster hat. Angesichts der dürftigen Leistungen des millionenschweren Teams von Bayer Leverkusen, das in Stendal mit viel Glück am Pokal- Aus vorbeischrammte und in der Tabelle nur drei Punkte, sprich einen Sieg, vor den früheren Arbeitskollegen aus Uerdingen liegt, würde bei jedem anderen Verein der Trainerstuhl mit Stärke 7 auf der Herberger-Skala wackeln. In Leverkusen aber redet alles über Bernd Schuster. Von Ribbeck systematisch demontiert, wegen angeblicher Klage gegen den Verein aus dem Kader geworfen, als Kapitän abgesetzt, nahm der engelhafte Schurke des Mittelfeldes beim Spiel gegen den HSV trotzdem in Zivil dort Platz, wo er eigentlich nie hinwollte: auf der Ersatzbank. Das fand sogar Rudi Völler „unkameradschaftlich“, denn während Schuster vom Publikum gefeiert wurde, mußten sich Trainer und Mannschaft nach der Niederlage böse Schmähungen anhören.

„Sie können davon ausgehen, daß Schuster nicht mehr für Bayer spielen wird, solange ich Trainer bin“, sagt Ribbeck und bringt damit Manager Calmund und Fußball-Abteilungsleiter Vossen in eine diffizile Lage. Bei der Verpflichtung Ribbecks hatten sie sich kaum träumen lassen, daß der neue Coach ausgerechnet den bis 1997 für vier Millionen Mark gebundenen Spielmacher und dreifachen „Torschützen des Jahres“ zum Sündenbock degradieren würde. Zwar sagt auch Calmund halbherzig, daß Schusters Defensivkünste nicht einmal für die Regionalliga reichen würden, aber das wußte er schon, als er ihn aus Madrid holte. Ein guter Coach sollte in der Lage sein, die Qualitäten zu nutzen, ohne die Defizite wirksam werden zu lassen. Auf jeden Fall setzt man einen Schuster nicht auf die Bank.

Oft werden sich Calmund und Vossen für ihren Mißgriff in der Trainerfrage verflucht haben, und es ist eigentlich höchste Zeit, daß dem sturen Fußballehrer das Sorgerecht für Schuster entzogen wird. Doch ohne schweren Gesichtsverlust werden sie Ribbeck nicht los, und Schuster erst recht nicht. Die Frage ist, was dieser eigentlich will. Geld? Einen neuen Verein? Ribbecks Entlassung?

Vermutlich alles zusammen, auf jeden Fall aber spielen, so scheint es. Mit 35 kann er sich kaum leisten, wie einst in Barcelona ein Jahr zu pausieren und den Trainer mit Glanzleistungen in Trainingsspielen zu blamieren. Vereine, die ihn liebend gern im Team hätten, gibt es weltweit genug, und ablösefrei ist er angeblich auch. Einen internationalen Vorstellungstermin absolviert er morgen beim Unicef-Spiele in Barcelona, wo er, soviel ist sicher, eine grandiose Vorstellung bieten wird – vor allem in der Defensive. Matti Lieske

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