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Klangschrott und Geschrei

■ KinderFest 95: Die Tonmaschinen von Frédéric Le Junter sollen nicht nur bewundert, sondern auch nachgebaut werden Von Kai Mierow

Musik sehen, Kunstwerke hören. Ratternd setzen sich die elektrischen Tonmaschinen in Bewegung. Da schlagen aufgehängte Bambusstäbe gegeneinander, ertönen – wie aus Geistermund – tiefe Laute aus Lampenschirmen, sägen Plastikscheiben auf ausgeleierten Saiteninstrumenten. Ein systematisches Klangorchester entsteht, gefügt aus kaputten Instrumenten, zerbeulten Getränkedosen, Scherben und allerlei Unrat, den der Künstler Frédéric Le Junter von den Stränden bei Dünkirchen aufgesammelt hat. Müll, den wir als wertlos erachten, zusammengesetzt zu Musikmaschinen – waschmaschinengroße, mal scheppernd, mal rhythmisch groovende Klangmaschinen.

Eine Schulklasse trifft ein. Aufgeregt hetzen die Kinder von einer Klanginstallation zur nächsten. Ihr Geschrei mischt sich mit den Klängen der Maschinen. Die animierte Bewunderung für die Objekte muß nicht passiv bleiben. Im Rahmen der Ausstellung, die Teil des „KinderFestes '95“ ist, können sie sich selbst als Klangbauer betätigen. In einem anderen Raum sind Werkzeuge und Materialien für sie bereitgestellt. Da läßt sich Gesehenes sofort in die Tat umsetzen, woraufhin auch nicht lange gefackelt und einfach drauflosgewerkelt wird – eine Arbeitsweise, die die Kinder mit Le Junter teilen. „Meine Installationen entstehen planlos, ich lasse mich von meiner Intuition leiten und füge – eigentlich wie ein Kind – simple Dinge, Dinge des Alltags zusammen.“

Bereits im Kindesalter bastelte der Franzose sein Spielzeug selbst. Später dann eine kurze Zwischenstation auf einer Akademie für Design: Doch das Studium dort war ihm „zu clean, zu steril“ – bereits nach zwei Jahren warf er das Handtuch. 1984 fing Le Junter mit der Gestaltung seiner Tonmaschinen an, einer Arbeit, die ihn für acht Jahre beschäftigen sollte. Die In-spiration für seine Objekte erhielt er durch ausgedehnte Reisen – hier wurde er mit unterschiedlichen ethnischen Musiken konfrontiert.

„Automatisierte Rituale“ nennt der Künstler seine Objekte, die an ursprüngliche Gesellschafts- und Verhaltensformen gemahnen sollen. Wie zu beobachten war, scheinen Kinder den spielerischen Umgang mit unfertigen Materialien ganz selbstverständlich zu vollziehen – auch im Zeitalter von Computer und Supermario.

Bis zum 12. November, täglich von 11 - 14 und 15.30 - 20 Uhr im Westwerk, Admiralitätsstraße 74

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