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Das Reisebüro und der Abschied vom Seemann

■ Hapag-Lloyd verhandelt nun doch mit der Gewerkschaft über Schiffs-Ausflaggungen

Aufatmen gestern unter den gerade noch 550 Seeleuten bei der einstigen Großreederei Hapag-Lloyd: Der Kahlschlag – das Ausflaggen aller 18 Containerschiffe und der geplanten 5 Neubauten unter die Flagge Singapurs – wurde auf der gestrigen Aufsichtsratssitzung in Hamburg noch einmal verschoben. Fest steht aber, daß die Schiffe künftig nicht mehr im Ersten Deutschen Schiffsregister fahren werden. Verhandelt wird jetzt, ob und wie die Schiffe im deutschen Zweitregister fahren können.

Im Zweitregister gibt es Steuersubventionen, mindestens 7 Seeleute mit deutschem Zertifikat und deutschem Lohn. In der Kombination von Lohndumping bei der Restbesatzung und Subventionen kommen Zweitregisterschiffe von den Lohnkosten her in die Nähe der reinen Billigflaggen. Ziel der Verhandlungsführer von ÖTV und Betriebsrat ist es jetzt, den Anteil deutscher Seeleute auf diesen Schiffen so hoch wie möglich zu halten. Konzernbetriebsratschef Jürgen Söncksen: „Wir gehen an die Schmerzgrenze. Wenn alle vom Bündnis für Arbeit reden – wir sind dazu bereit.“

In einer einmaligen Solidaritätsaktion gelang es Söncksen, den Betriebsrat auf ein Angebot einzuschwören, welches Lohnverzichte im florierenden Flug- und Touristikgeschäft der Hapag zugunsten der notleidenden Linienschiffahrt beinhaltet. Die Idee: Die KollegInnen aller Betriebsteile des Konzerns, der seinen heutigen Reichtum – gut 500 Millionen Mark liegen auf der hohen Kante – vor allem den 150 Jahren Seeschiffahrt verdankt, helfen die Arbeitsplätze der Seeleute sichern. Doch, so Söncksen: „Beim Vorstand regiert das reine Kostencenter-Denken.“

Vorstandschef Bernd Wrede sieht das nüchterner: „Wenn ich die betonierten deutschen Personalkosten auf Dauer ignoriere, werde ich zum Konkursrichter marschieren. Die Flagge ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, nicht des Sentiments.“ Deutliche Steuersenkungen seien nötig, um den Seemannsberuf in Deutschland zu erhalten.

Hapag-Lloyd kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Zwar fahren heute noch rund 13.000 deutsche Seeleute auf den Weltmeeren – der Abschied der Hapag von der deutschen Flagge würde jedoch fast alle Reeder zur Fahnenflucht animieren. Welthandel „Made in Germany“, ein Markenzeichen für Transportdienstleistung, das dem Positiv-Image der beförderten Güter in nichts nachstand – dieser Grundsatz gilt längst nicht mehr: Während Deutschlands Weltmarktgeltung seit 1983 wuchs, schrumpfte die nationale Handelsflotte im Eiltempo.

Symptomatisch dafür ist Hapag-Lloyd: Von 1970 bis heute schnurrte die Flotte der ehemals weltgrößten Container-Reederei auf 18 Schiffe zusammen. Der einst maritime Konzern mit Flotte, Werften und Reparaturbetrieben verkam, so Altbetriebsrat Helmut Pommerenck, der voriges Jahr enttäuscht das Handtuch schmiß, „zum Touristikunternehmen“. Die Reisebürokette, das Kreuzfahrtschiff „MS Europa“ und die Luftflotte (der Konzern besitzt heute mehr Flugzeuge als Schiffe) florieren und haben die Linienschiffahrt innerhalb des Konzerns längst in den Schatten gestellt. Florian Marten

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