■ Das ZDF bringt Hitler in sechs Teilen: Guido, Adolf und der Alte Fritz
„Hitler – eine Bilanz“ heißt das neueste Produkt aus Guido Knopps Geschichtswerkstatt. Sein ZDF-Sechsteiler beginnt heute um 21 Uhr und läuft dann jeweils sonntags. Einstimmend meint dazu der Fernsehprofessor: „Noch nie ist ein Politiker in einem Jahrzehnt so geliebt und so verflucht worden wie Hitler. Noch nie ist einer so gescheitert.“ Doch damit nicht genug der Superlative: „Über ihn sind in den letzten fünfzig Jahren mehr als 120.000 Bücher und Aufsätze geschrieben worden. Doch ein umfassendes TV-Porträt fehlt bislang. [...] Eine filmische Bilanz am Ende des von Hitler so bewegten und verdorbenen Jahrhunderts muß aus Deutschland kommen [...].“ Und von Guido Knopp.
Daß es für Illustrationen der Knoppschen Manier Fernsehpreise, Bundesverdienstkreuze und Professorentitel regnet, unterstreicht nur, in welcher Tradition diese Kalenderblatt-Historik steht: Sie lenkt, beschneidet, zähmt und lähmt Phantasie. Sie legt Erinnerung einheitlich fest, vereinnahmt Zukunft und Vergangenheit im Interesse der Gegenwart – und das stets brav und „affirmativ“. Wohlgemerkt: Nicht ihre Subjektivität und Suggestivität, allein die Ausschließlichkeit, das „So und nicht anders“, mit dem sie auftritt, ist der Makel solcher Veranschaulichung.
Daß das ZDF unser Geschichtsbewußtsein auffrischen will, daran ist nichts falsch. Nur, was kennzeichnet den Bösewicht Hitler als einmalig? Als den Verbrecher, „der uns lehrt, was der Mensch dem Menschen antun kann“ (Knopp)? Das ZDF-Produkt – bereits in 16 Länder verkauft – zerteilt Hitler in „Privatmann“, „Erpresser“, „Verführer“, „Diktator“, „Kriegsherr“, „Verbrecher“ – was schon eine schwierige Trennung und Gleichordnung ist: Ist Hitler all das hintereinander oder zugleich?
Wenn dem Konzeptionator Knopp und den konsultierten Historikern (Jäckel, Hildebrandt, Hofer, Kershaw) zu trauen ist, komponiert das Böse sich vornehmlich aus folgenden Eigenschaften:
– Persönliches Regiment, nicht nur in der Kriegführung;
– Runduminformiertheit, Schlagfertigkeit und Gedächtnispräsenz;
– Uniformkult („1. Soldat“, „immer im Dienst“);
– Frauenverachtung;
– Hundeliebe als Zuneigungs- und Kommunikationsersatz;
– „Mörderische“ Durchhaltepolitik („bis 5 Minuten nach 12“);
– Kokettieren mit Unkonventionalität;
– Instrumentalisierung religiöser und ethischer Empfindungen („Eid“; „Vorsehung“; „Auftrag“; „Fügung“);
– mit Aktionismus übertönte Todessucht;
– Ungeduld;
– Ruhmsucht;
– Verlogenheit, ergo jederzeitige Vertragsbrüchigkeit;
– Erpressertum.
Schlimm genug. Fataler noch, daß dies alles just die Eigenschaften sind, die uns von fernsehschaffenden Historikern in all den Gedenkjahren zuvor als Eigenschaften eines anderen einzigartigen Feldherrn präsentiert wurden: Friedrichs des Großen. Des knorzigen Alten Fritz, in seltsamer Komplizenschaft als Führer zu nationaler Einheit, Ehre und Selbstverwirklichung angedient.
Guido Knopp gibt uns noch auf den Weg: „Faszinieren kann Hitler nur den, der nichts oder wenig von ihm weiß.“ Kaiserenkel und Europäer Otto von Habsburg, wahrlich hitlergeschädigt, erkennt dagegen „zweifellos geniale Züge“. Damit steht er nicht allein, auch unter unverdächtigen Demokraten. Preußens Friedrich, Hitlers Leitbild, nämlich darf uns soviel faszinieren, wie wir wollen. Trotz alledem. Grad wieder. Nun erst recht?! Silvia Schmidt
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