: Unterm Strich
Nanni Moretti, der den Menschen mit seinen römischen Homemovies zu Nutzen und Frommen war, hat nun einen Film über den Italienischen Herbst produziert, in welchem er selbst die Hauptrolle spielt. „La Seconda Volta“. Die Sache spielt in Turin, ist also recht trist akzentuiert. Ein Professor spaziert die Straße entlang und sieht vor sich ein junges Mädchen, sehr apart, und plötzlich weiß der Professor, daß sie es war, die vor zehn Jahren auf ihn geschossen hat. Er hat von dem Attentat noch eine Kugel im Kopfe und eine gewisse dysphorische Grundstimmung. Sie hat eine dreißigjährige Haftstrafe abzusitzen, aber mit Freigang. Ja, sie treffen sich, aber ein Happy-End ist nicht zu erwarten, denn er kann nicht vergessen und sie will sich nicht erinnern. Sie reden über – Kino. Der Film löste erhebliche Kontroversen aus.
Verstorben: Der Philosoph Ernest Gellner. Der 1925 in Prag Geborene beschäftigte sich mit dem Islam, mit nationaler Identität in der Moderne und der Entwicklung von Kulturtechniken.
Mit der achten Verleihung des Felix am Sonntag in Berlin verabschiedet sich die Europäische Filmakademie wie gemeldet von der Hauptstadt in eine ungewisse Zukunft. Die letzte noch mögliche Geldquelle ist das europäische Förderungsprojekt „Media II“, nachdem der Berliner Senat der EFA 740.000 Mark Jahreszuschuß ab 1996 gestrichen hat. Stockholm und Florenz haben Interesse bekundet, die Akademie zu sich zu holen, warten aber noch auf eine Förderungszusage. Der „Felix“ erlebt im Grunde seit seiner Geburt das Drama des relativ unbegabten Kindes: Alle wollen, daß er ein Hollywood-Pendant wird, aber da man erstens Hollywood zugleich mißtraut und zweitens eh keine adäquaten Finanzmittel anzubieten bereit ist, handelt es sich bei diesem Wunsch um ein Schizoangebot. Entsprechend kläglich waren dann immer die Präsentationen – ob in der Babelsberger Marlene Dietrich Halle (Versuch, vom alten Ufa-Glanz zu leben) oder der „Bar jeder Vernunft“ (Versuch, vom Charme des Berliner Varietés zu leben).
Und Nobby ging zum Regenbogen: Auch Norbert Bolz, Medienphilosoph, ist in die Akklamationsbranche gegangen und macht jetzt, so berichtete unser Fernsehkorrespondent Detlef Kuhlbrodt („Hallo Detlef, wir grüßen alle die uns kennen“), Werbung auf Pro 7 für die Datenautobahn.
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