: Über den Dächern
■ „Bremen aus der Luft“ – ein Bremen-Bildband aus der Vogelperspektive
Noch vor ein paar Jahren wurde jedes aus der Luft aufgenommene Foto wie ein Heiligtum gehandelt und durfte erst dann dem kleinen Mann (und den Russen) gezeigt werden, wenn das zuständige Luftfahrtbundesamt sein Placet gegeben hatte. „Freigabe durch ...“ hieß das dann immer. Heute braucht man zwar immer noch eine Genehmigung von der Flugsicherung, allerdings nur, damit im überfüllten Luftraum kein Chaos ausbricht.
Der Berliner Fotograf Günter Schneider hat sie bekommen und vor kurzem den Hochglanz-Bildband „Bremen aus der Luft“ vorgelegt. Vom Bremer Rathaus, den Schnoor, die Wallanlagen, über die Gesamtluftansicht des alten Stadtkerns entfernen sich die gestochen scharfen Farbbilder immer mehr von der Stadt. Motive im Blockland, Lesum und Vegesack folgen. Dann verläßt der Helikopter, aus dem sämtliche Fotos geschossen sind, die Peripherie, um sich etwa den Werften in Lemwerder zuzuwenden und dem stadtbremischen Häfen in Bremerhaven. Neben aus der Luft graphisch beeindruckenden Motiven wie etwa den regelmäßig gereihten Straßenzügen in der Bremer Neustadt richten Günter Schneider und Hartwig Struckmeyer, ehemals Schulleiter in Bremen und Autor des Vorwortes, ihr Augenmerk auf „Namen, die genauso bekannt sind wie die Stadtmusikanten“. Die Becks'sche Brauerei von oben, das Borgward-Gelände, die Vulkan-Werft.
In einer Höhe zwischen 500 und 1800 Fuß (ca. 170 bis 600 Meter) sind die Aufnahmen entstanden. Niedriger als 500 Fuß durfte der Helikopter nicht fliegen – da ist die Flugsicherung vor.
Reizvoll an den leicht angeschrägten Aufnahmen der Stadt – durch keinen Dunstschleier getrübt – ist vor allem, durch die hochinformative Vogelperspektive Stadtentwicklung plastisch nachvollziehen zu können. In einer Deutlichkeit, wie sie kein Spaziergang längs des Altenwalls vermittelt, zeigt etwa eine Aufnahme, wie einst die Stadtmauer intra muros und extra muros trennte.
Das wissensreiche Vorwort, im Ton des altgedienten Studienrats gehalten, spart nicht mit Anekdoten und Bremensien. Etwa der Legende, daß die Gräfin Emma, Witwe des Grafen von Lesum, den Bremern als Bürgerweide soviel Gelände schenkte, wie ein Mensch in einem Tag umwandern könne. Den Erben war das zuviel Bürgernähe: Sie ließen einen Krüppel das Terrain umkriechen. Ein Register sucht man in dem 95-seitigen Band vergeblich, die Bildunterschriften sind nicht immer Höhepunkte der Literatur: „Die Anlage der stadtbremischen Häfen ist übersichtlich und wohlgeordnet und läßt an ein Fischgrätmuster denken.“ Angesichts der Fotos läßt sich das gut verschmerzen.
Alexander Musik
Günter Schneider/Hartwig Struckmeyer: „Bremen aus der Luft“, Argon Verlag, 49,80 DM.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen