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Kanzler rehabilitiert Mörder

Die Regierung dementiert jeglichen Verdacht, Helmut Kohl wolle bei seiner Chinareise ein günstiges Klima für Waffendeals schaffen  ■ Von Jutta Lietsch

Warum will Helmut Kohl in China unbedingt bei einer Militäreinheit vorbeischauen? Die schönste Erklärung lieferte Wirtschaftsminister Günter Rexrodt, der den Bundeskanzler gemeinsam mit zwei Ministerkollegen und zahlreichen Wirtschaftsvertretern auf seiner Asienreise begleitet: Kohl versuche, „diese unsere Botschaft von Demokratie und Menschenrechten“ in die chinesischen Truppen hineinzutragen. Man wolle eine Atmosphäre schaffen, die die Chinesen nachdenklich mache.

Das Besuchsprogramm des Bundeskanzlers, der heute in Peking offiziell von seinen Gastgebern begrüßt und bis Donnerstag in China bleiben wird, hat in den vergangenen Tagen heftige Kritik und Spekulationen ausgelöst. Die SPD warf Kohl vor, er werte mit seinem geplanten Abstecher zum 196 Infanterieregiment das chinesische Militär auf, das 1989 die Demokratiebewegung niedergemetzelt habe. Seit dem Massaker vom Tiananmen-Platz hat kein einziger westlicher Regierungschef eine chinesische Kaserne betreten. Amnesty international und andere Menschenrechtsorganisationen warfen Kohl Opportunismus vor. Bonner Regierungspolitiker und deutsche Diplomaten in Peking beschwichtigten: Die für den Kohl- Besuch ausgesuchte Elite-Einheit, die zwischen Peking und der östlich gelegenen Stadt Tianjin stationiert ist, sei an dem Massaker nicht beteiligt gewesen. Und der deutsche Botschafter in Peking dementierte jeglichen Verdacht, Kohl wolle ein günstiges Klima für Waffengeschäfte schaffen.

Auch die wenige Tage zuvor beendete Chinareise von Jörn Schönbohm, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, hat deutschen Diplomaten zufolge nichts mit einer geplanten Rüstungskooperation zu tun. Schönbohm hatte Anfang November in Peking mit Verteidigungsminister Chi Haotian gesprochen. Offiziell wollte er die militärischen Beziehungen vertiefen, hieß es, und mit den Chinesen über globale Sicherheitspolitik sprechen – so wie es auch Peking und Washington tun.

Die EU hat ihren Mitgliedsländern den Verkauf von Kriegsgerät und -technologie nach China verboten. Tatsächlich hat sich die Bundesregierung nach Ansicht von Beobachtern weitgehend an dieses Verbot gehalten. Die aus Deutschland gelieferte Elektronik für Abhörstationen an der chinesischen Westgrenze war schon Mitte der achtziger Jahre, also vor dem Massaker vom Tiananmen-Platz, installiert worden. Allerdings vermuten Militärexperten, daß die EU-Staaten das Verbot auf vielfältige Weise umgehen: durch Lieferungen über Hongkong oder andere Länder und durch den Verkauf von Technologie und Maschinen, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.

Laut Handelsblatt glauben westliche Diplomaten in Peking, daß die deutsche Industrie Elektronik nach China verkaufen möchte, die sowohl für Zivil- als auch für Kampfflugzeuge nutzbar ist. Auch die deutschen Werften, die ihren Traum von U-Bootlieferungen an Taiwan begraben mußten, erhofften sich nun Aufträge aus China.

Den Kanzler, der nach 1984, 1987 und 1993 zum vierten Mal in seiner Amtszeit nach China fährt, begleiten auf seiner zehntägigen Asienreise, die ihn auch nach Vietnam und Singapur führen wird, Forschungsminister Jürgen Rüttgers, Postminister Wolfgang Bötsch, Entwicklungsminister Dieter Spranger und eine 45köpfige Wirtschaftsdelegation. Man erwarte Vertragsabschlüsse in Milliardenhöhe, hieß es vor der Reise. Dabei geht es unter anderem um deutsch- chinesische Kooperation beim Ausbau des chinesischen Transport- und Telekommunikationswesens. Die deutsche Industrie erhofft sich so Großaufträge beim Bau neuer Eisenbahnstrecken und Häfen sowie beim Bau des zweiten Schanghaier Flughafen in der Sonderwirtschaftszone Pudong.

Möglicherweise hat Kohls Auftritt bei der Volksbefreiungsarmee noch einen anderen Hintergrund: „Kohl will Fokker retten“, meint ein Berliner Rüstungsexperte. Denn die marode niederländische Flugzeugfirma, die im vergangenen Jahr von der jetzt ebenfalls schwer angeschlagenen Daimler- Tochter Dasa aufgekauft wurde, möchte Regionalflugzeuge für China bauen. Der Kampf um den chinesischen Luftfahrtmarkt ist gegenwärtig in vollem Gange. Erst im Sommer hat die US-Firma Boeing vor der europäischen Konkurrenz den Zuschlag für den Bau von Großraum-Passagierflugzeugen erhalten. Besonders bei solchen Geschäften redet das chinesische Militär, das über eigene Firmen auch im zivilen Luftverkehr engagiert ist, ein gewichtiges Wort mit.

In den vergangenen Wochen wollte die chinesische Regierung über den Kauf von Mittelstreckenflugzeugen mit etwa 80 bis 100 Sitzen befinden. Noch hat sie ihre Entscheidung nicht öffentlich gemacht. Wenn Fokker tatsächlich den Zuschlag erhielte, könnte die Firma überleben. Und der Bundeskanzler hätte wieder eine Schlacht um deutsche Arbeitsplätze gewonnen.

Daß Kohl in China kaum Skrupel kennt, um für die deutsche Wirtschaft Aufträge an Land zu ziehen, hat er bereits 1987 gezeigt: Damals erfüllte er sich seinen Herzenswunsch – und den seiner Gastgeber – und reiste in das von China besetzte Tibet, zum Entsetzen des Auswärtigen Amtes. Sein jetzt geplanter Militärbesuch ist von ähnlichem Kaliber.

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