: Billigen Entsorgungskonsens verhandeln
Niedersachsen verhandelt mit Stromkonzernen über die Zukunft von Atommüll und Atomkraftwerken. Entsorgung kann viel billiger werden, sagt Ministerpräsident Schröder (SPD) ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) sucht weiter nach einem Entsorgungskonsens für den deutschen Atommüll, vorbei an der Bundes- SPD und „unter Umständen gegen eine renitente Bundesregierung“. Umweltstaatssekretär Dietmar Schulz bestätigte der taz am Wochenende: „Die Gespräche des Landes Niedersachsen mit den Energieversorgungsunternehmen über einen Konsens laufen natürlich weiter.“ Schröder hatte im Landtag erklärt, er gehöre zu denen, „die einen Konsens mit der Atomwirtschaft, mit der Energiewirtschaft herzustellen versuchen“. Im Dezember bei der nächsten Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler steht das Thema Energiepolitik auf der Tagesordnung. Dort soll möglichst eine Arbeitsgruppe in Sachen Konsens eingesetzt werden.
BeamtInnen der niedersächsischen Staatskanzlei und des Umweltministerium führten gegenwärtig die Gespräche mit den Energieversorgungsunternehmen (EVU), erläutert Staatssekretär Schulz, der zur Zeit die Umwelministerin Monika Griefahn vertritt. Allerdings strebe man bei diesem dritten Anlauf nur noch eine Vereinbarung über die Atomkraft und deren Entsorgung an. Das Interesse Niedersachsens, die Last der Atommüllentsorgung nicht allein zu tragen, stehe ganz klar im Vordergrund. Das Auslaufen der Akw sei ohnehin realistisch.
Schröders Leute argumentieren, daß die Energieversorger bei einem Konsens mit Niedersachsen viel Geld sparen können. Der Ministerpräsident hält das bisherige Entsorgungskonzept für „ein finanzielles Abenteuer, das die Bundesregierung zu verantworten hat“. Das Entsorgungskonzept des Bundes sehe gegenwärtig an den beiden Standorten Gorleben und Schacht Konrad eine Endlagerkapazität von insgesamt fast zwei Millionen Kubikmeter vor.
Davon werde selbst bis zum Jahre 2080 nicht einmal ein Viertel gebraucht, erklärte Schröder kürzlich mit Hinweis auf eine „aktuelle Bedarfsschätzung der Nuklearwirtschaft“. Die gehe für das Jahr 2080 von 550.000 Kubikmeter Endlagerkapazität aus, davon 375.000 Kubikmeter für die Stromwirtschaft und 175.000 für alle sonstigen Atommüllerzeuger.
Schröder glaubt, die Energieversorger hätten das Problem erkannt. „Solange kein an die radikal veränderten Rahmendaten angepaßtes Endlagerkonzept vorliegt, sollten die Arbeiten im Gorlebener Endlager gestoppt werden“, folgert der Ministerpräsident. Zumindest beim Endlager Gorleben hat er inzwischen sogar den Chef des deutschen Atomforums, Wilfried Steuer, auf seine Seite gebracht. Der hatte jüngst einen Entsorgungskonsens eingefordert und ein Gorleben-Moratorium bis zum Jahre 2030 angeboten. Vielleicht könne man sogar gänzlich auf das Endlagerprojekt verzichten.
Die Bündnisgrünen begegnen Schröders Konsenssuche mit Skepsis. „Gerhard Schröder und die Energieversorger suchen gegenwärtig gemeinsam nach einer Billiglösung für die Entsorgung“, sagt etwa die Grünen-Landtagsabgeordnete Rebecca Harms. Schröder setze dabei auf eine Langzeitzwischenlagerung abgebrannter Brennelemente. Das sei keine Entsorgung, sondern eine billige Vertagung des Atommüllproblems in eine ungewisse Zukunft.
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