Sanssouci: Vorschlag
■ Sie nennen es TripHop: Tricky und Martina im Metropol
Können Sie sich vorstellen, Ice T im Hochzeitskleid zu treffen – als Braut? Nein, das ist nicht mit dem Image des Ghetto-Kid, das einiges an Gewalt und Härte hinter sich hat, zu vereinbaren. Bei Tricky allerdings müßte Kausalisten, die an einen linearen Weg vom Underdog-Kind zum Gewalttäter und Autoritätsverherrlicher glauben, die Lust vergehen. Tricky, Teil der Bristol- Trip-Hop-Gemeinde, ist nicht nur Meister der Zeitverzögerungskunst. Er ist auch eine verwirrende Erscheinung im geordneten Zuschreibungsgeschäft von Geräusch und Erscheinung.
Auf seiner CD „Maxinquaye“ ist er tatsächlich im Hochzeitskleid zu sehen, Trickys Sängerin Martina daneben im Frack und Zylinder. Hier geht es um Spurensuche, nicht um Denkmalpflege. Seine Musik wie seine Umschlagskunst sind Prozesse, bei denen an der Oberfläche geschürft, gepopelt und gekratzt wird, bis dahinter undurchdringbares Gestrüpp zum Vorschein kommt. Daß bei einem Stück wie „Pumpkin“ Björk eher im Kopf als direkt auf der Platte auftaucht, ist nur ein Beispiel aus der verweisreichen Zitatensammlung. „Brand New, you're Retro“ läßt einen nicht nur als Antwort auf Brit-Pop-Retro-Hype (Oasis als neue Beatles) lächeln. Daß dabei der Tanzboden-Hit „If I only Knew“ von Tom Jones auftaucht, macht das Lachen perfekt. Tricky ist nicht nur Popkultur, ist nicht nur Zirkus, er ist auch down mit seiner Vergangenheit, wie man im HipHop sagen würde. Auf der Singleauskopplung ,Pumpkin‘ ist die klassische Gangsterscheibe nachgestellt. Tricky selbst, mit entblößtem Oberkörper und Goldkreuz drohend nach vorne gebeugt, wie von Tupac bis Ice Cube tausendmal vorgemacht. Im Hintergrund drei Frauen (mit Kleidung) mit Knarren in der Hand, drei Männer, die in Körperbau und mit Tricky-Wear-Jeans-Röcken nicht dem Standardmodell „durchgestylter Held“ entsprechen. Sie haben Stöcke bei sich, auf denen „Switch on“ steht. Der Plattentitel ist die gelungenste Persiflage auf Gangster-Rap und seine Ästhetik. Darunter steht aber auch, daß Tricky es ernst meint: „I wanna get into your head. Don't feel good about your anatomy. And if you're a gangster give some money to charity.“ Wer also intelligente langsamgezerrte elektronische Musik hören möchte, mit weichen Stimmen wie aus Twin-Peakschen Träumen, darf Tricky und Martina nicht verpassen. Annette Weber
Heute, 21 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg
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