: Kuppel, Kohle, Kunst
■ Jannis Kounellis interpretiert den Kuppelsaal der Kunsthalle
Doppelbettgroße Stahlplatten stecken spitz in Inseln aus Kohle und lehnen an 14 Meter hohe Stahlträger, die sich am hohen Gewölbe abstützen: Jannis Kounellis hat die Kuppel der Hamburger Kunsthalle mit seinen typischen Materialien interpretiert. Der seit 40 Jahren in Rom lebende Grieche nutzte den selbst für ihn attraktiven Hamburger Ort für eine neue und eigenständige Installation. Es ist ein besonderes, von Museumschefs wie Rudi Fuchs aus Amsterdam und Kunstvermittlern wie Christos Joachimides gestern persönlich begutachtetes Ereignis, um das sich viele deutsche Museen seit Jahren vergeblich bemühten. „Es wird schwer sein, hier in der Kuppel mit anderen Bildhauern weiterzuarbeiten, wer kann solche Qualität schon erreichen?“ lobt Kunsthallen-Direktor Uwe M. Schneede.
Mehrere Wochen war der 59jährige Künstler in Hamburg, gestaltete zusammen mit zwei Schiffbautechnikern Die eiserne Runde, wie die Arbeit heißt, und überwachte die Zusammenstellung der begleitenden Retrospektive im Erdgeschoß des Altbaus. Dort wird auch der Raum benutzt, der sonst Joseph Beuys vorbehalten ist. So wird beziehungsreich eine ideelle Nähe zwischen dem großen Deutschen und dem Mitbegründer der Arte povera hergestellt.
Vor 30 Jahren war die Verwendung „armer“ Materialien wie Jutesäcke voller Bohnen, Baumwolle, Blei und Kohle noch revolutionär. Doch die Arte povera ist keineswegs minimal. Obwohl nie ausformuliert und stets „Ohne Titel“ offen gehalten, sind die Bezüge auf die Geschichte immer mitgedacht. Da brennt eine Kerze zugleich für Mozart und Robespierre, da sind Gipsabgüsse antiker Köpfe in Werke integriert. Kounellis ist ein Künstler in europäischer Tradition, der die industrielle Materialwelt samt Gasflamme und Rauchspur noch einmal vorführt, bevor sie sich im nächsten Jahrtausend ins Immaterielle verliert. Und mit diesem Verweis auf Materialenergien ist der mediterrane Titan Kounellis dem nordischen Schamanen Beuys nahe. Hajo Schiff
Kunsthalle, bis 7. Januar 1996.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen