: Pollerkrieg im Rissener Zentrum
■ Wirtschaftssenator will Verkehrsberuhigung in der Einkaufszone beseitigen Von Marco Carini
Vize-Bürgermeister Erhard Rittershaus war „an die Front“ gekommen, um den Rissener Geschäftsleuten im Pollerkrieg beizustehen. „Gut gemeint“, räumte der Wirtschaftssenator gönnerhaft ein, sei die von SPD und GAL beschlossene Verkehrsberuhigung des Rissener Ortszentrums schon gewesen – herausgekommen aber sei „ein Alptraum“, ein „Schildbürgerstreich“, ein „vermeidbarer Spaß, der viel Geld kostet“.
Der Senator sprach beim Ortstermin auf der Wedeler Landstraße aus, was die Geschäftsleute von ihm hören wollten: Verkehrsberuhigung – hau weg den Scheiß! Um das zu erreichen, will Rittershaus sich in den nächsten Tagen Stadt-entwicklungssenator Thomas Mirow und Altonas Bezirksamtsleiter Hans-Peter Strenge zur Brust nehmen, um anschließend auch die Hamburger Bürgerschaft mit der Rissener Verkehrsberuhigung zu beschäftigen. Rittershaus: „Wir brauchen eine schnelle Lösung“.
Seit die Wedeler Landstraße nicht mehr durchgängig befahrbar und von Dauerparkplätzen ganz befreit ist, hegen die Geschäftsleute kollektive Untergangsstimmung. Um zwanzig, dreißig, gar vierzig Prozent seien die Umsätze zurückgegangen, gleich ein Dutzend Geschäfte hätten dicht machen müssen. Für Autofahrer, so Günther Wiebelitz, der im März seine Herrenboutique aufgeben mußte, sei die neue Verkehrsführung „ein Irrgarten“. „Nach Blankenese und Wedel“, so der örtliche Gemüsehändler, würden die Kunden abwandern. Die Buchhändlerin weiß: „Unsere Geduld ist am Ende“.
Dabei hatten die aufgebrachten Geschäftsleute zum Teil selbst in der bezirklichen Arbeitsgruppe „Rissener Ortskern“ gesessen, die die heute so ungeliebte Verkehrsführung entwarf. „Der Durchgangsverkehr war für die Einkäufer nicht mehr erträglich“, erinnert sich der Altonaer GAL-Fraktionschef Olaf Wuttke an den Grund für die Rissener Verkehrsberuhigung. In Nebenstraßen seien sogar zusätzliche Parkplätze, zwei Gehminuten vom Ortszentrum entfernt, geschaffen worden. Wuttke: „Uns haben viele Zuschriften von Anwohnern erreicht, die die Maßnahmen ausdrücklich begrüßen“.
„Daß alle wirtschaftlichen Probleme der neuen Verkehrsführung in die Schuhe geschoben werden“, ärgert den GALier. Doch auch „das neue Einkaufszentrum Schenefeld und die Wiedereröffnung des Elbe-Einkaufcenters“, hätten zur Rissener Einzelhandels-Flaute entscheidend beigetragen.
„Die Möglichkeiten, die eine fußgängerfreundliche Einkaufspassage etwa für Cafés bietet, werden in Rissen einfach nicht genutzt“, analysiert Wuttke: „Untersuchungen aus anderen Städten beweisen, daß Geschäftsleute zuerst fast immer über Verkehrsberuhigung klagen, sich aber bald so auf die neue Situation einstellen, so daß sie keine Verluste verzeichnen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen