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Gestatten: Rudolf Scharping, Vizevorsitzender

■ Die Eigenschaften, die ihn einen würdigen Verlierer sein ließen, kosteten ihn den Job

Er ist einer, der ganz schnell oben war: 1991 wurde er Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und schon zwei Jahre später per Mitgliederbefragung zum Vorsitzenden der SPD. Gerade zwei Jahre hat sein Gastspiel auf dem Zenit der Parteimacht gedauert. Denn die Erwartungen, die die Basis an ihn gestellt hat, hat er nicht erfüllt. Mit einem vernichtenden Ergebnis haben die Delegierten in Mannheim ihren Parteivorsitzenden abgemeiert, der versucht hat, die aus den eigenen Reihen zu integrieren, die ihn demontieren wollten. Zu ihnen gehört – wenn auch in abgeschwächter Form – auch der neue Mann an der Spitze der Partei: Oskar Lafontaine.

Es würde nicht zu Rudolf Scharping passen, sich zu revanchieren. Lafontaine und die Partei können davon ausgehen, daß wenigstens Rudolf Scharping dem neuen Vorsitzenden keine Knüppel zwischen die Beine werfen wird. Die Eigenschaften, die Scharping gestern einen würdigen Verlierer sein ließen, sind die gleichen, die ihn seinen Job als Parteivorsitzenden gekostet haben: der permanente Versuch, zu integrieren, und die tiefe Überzeugung, daß die Partei über der eigenen Person steht.

Scharping kommt in den Medien nicht rüber, weil er nicht aus sich rausgeht und öffentlich nur selten Gefühl zeigt. So wirkt er hölzern und unnahbar, wo Lafontaine den Volkstribun rauskehrt. Sein Wille „zu integrieren statt auszugrenzen“, wurde Scharpings Führungsschwäche.

Die GenossInnen – allen voran Gerhard Schröder – tanzten ihm auf der Nase herum. Auch seine mangelnde Bereitschaft, sich beraten zu lassen statt einsame Entscheidungen zu treffen, haben ihm die GenossInnen angekreidet. „Er ist nicht kommunikationsfähig“, hieß es immer wieder in Bonn. Scharping hat zu wenige Schwerpunkte gesetzt und versäumt, der Partei ein vermittelbares inhaltliches Profil zu verpassen. Von einer „offensiven und völlig entschlossenen Opposition“, wie er sie angekündigt hatte, war nach der Bundestagswahl nichts zu spüren. Doch schon vor der Wahl im Herbst 1994 nahm die Kritik an dem Kanzlerkandidaten zu, der die Partei mit einem Kurs der Mitte zum Erfolg führen wollte.

Klarheit in der Sache hat er auf dem Parteitag erreichen wollen – doch da war es für ihn zu spät. Das putschartige Ende als Parteivorsitzender ist für Scharping, der seine politische Karriere nach dem Studium zielstrebig aufgebaut hat, die bitterste Niederlage seiner Laufbahn.

Er hatte sich noch am frühen Mittwoch abend entschieden, Lafontaine zur Gegenkandidatur aufzufordern, ließ es sich aber nicht anmerken: Small talks auf dem Parteiabend und gemeinsames Feiern mit Oskar an einem Tisch.

Am nächsten Donnerstag morgen, kurz vor der entscheidenden Wahl, ein scheinbar entspannter Rundgang auf dem Parteitag: „Normal“ fühle er sich, sagte er und referierte, daß die personellen und inhaltlichen Unklarheiten eine nicht länger tragbare Belastung für die Partei seien. Nur das nervöse Knibbeln an den Fingern zeigte die extreme Spannung, unter der er stand.

Doch schien er zu ahnen, daß diese Wahl für ihn ein Desaster wird: Während die Stimmen ausgezählt wurden, blieb er nicht auf dem Podium sitzen, sondern setzte sich fast schutzsuchend in die Reihen der alten GenossInnen aus Rheinland-Pfalz. Die Wirklichkeit einfach ausblendend, erzählte er Anekdoten und berichtete von seiner ersten Begegnung mit dem brandenburgischen Landesvorsitzenden Steffen Reiche und daß er mit dem mal wieder ein gutes Glas Wein trinken müsse.

Wenige Minuten später demonstriert er, tief getroffen von der Niederlage, seine Unterstützung für Lafontaine: „Wir haben jetzt Klarheit. Dazu gehört, daß die ganze Partei Oskar uneingeschränkt unterstützt.“ Karin Nink

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