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Wo Berlin westdeutsch ist

■ In der Wilmersdorfer Straße ödet eine der drei Fußgängerzonen Berlins vor sich hin. Nun soll sie nachgebessert werden. Doch der Trend geht zum Einkaufscenter und zur Shopping-Mall

„Die Wilmersdorfer wird 25“, freuten sich Anfang November die Autogegner von FUSS e.V., und die Berliner Zeitung trat in ihre Fußstapfen: „Ein Vierteljahrhundert Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße“. Doch Tuba, Chöre und Tschingderassabum fielen aus. Kein Grund zum Feiern: Die Wilmersdorfer Straße wurde nicht 1970 eingeweiht, sondern, wie der Charlottenburger Baustadtrat Claus Dyckhoff (SPD) richtigtellte, am 18. August 1978.

Doch auch ein reguläres Jubiläum hätte kaum Anlaß zur Geburtstagsfeier geboten. Fußgängerzone, das mutet in Berlin beinahe wie ein Fremdwort an. Ein westdeutsches vor allem. Während die Fußgängerpisten im westdeutschen Waschbeton oder in den Gassen schiefgiebliger Altstädte sich nach wie vor einiger Beliebtheit erfreuen, führt in Berlin so mancher Weg an ihnen vorbei. Überlegungen, neben der Wilmersdorfer, der Altstadt Spandau und der Gorkistraße in Tegel auch noch die Neuköllner Karl-Marx- Straße in Neukölln sowie die Steglitzer Schloßstraße für den fußläufigen Konsum zu reservieren, sind längst passé. Doch das ist weniger dem verkehrspolitischen Bewußtsein der Verwaltung geschuldet als vielmehr, wie Claus Dyckhoff weiß, der überdurchschnittlichen Breite der Berliner Straßen.

Auch in der Wilmersdorfer Straße, für deren Umwidmung Ende der Siebziger der Autotunnel in der Kaiser-Friedrich-Straße gebuddelt und zahlreiche Gründerzeitbauten am Adenauerplatz abgerissen wurden, will nicht die rechte Atmosphäre aufkommen. „Völlig gesichtslos“, meint Karla Behne aus Neukölln, die einmal im Monat zum Einkaufen kommt. Werner Mussig aus Wilmersdorf ärgert sich vor allem über den Autoverkehr in der Kantstraße, der die Fußgängerströme ohne Mitleid in zwei Hälften schneidet.

Horst Weiß, in der Karstadt- Geschäftsführung gleichermaßen zu Hause wie in der Arbeitsgemeinschaft Wilmersdorfer Straße, glaubt dennoch an die Zukunft seiner „Wido“. Wenngleich die Vorwende-Rangordnung mit dem Ku'damm auf Platz eins, der Schloßstraße auf Platz zwei und der „Wido“ an dritter Stelle gehörig durcheinandergeriet, sei der Standortvorteil einer Fußgängerzone nicht von der Hand zu weisen. Ganz anderer Ansicht ist dagegen Baustadtrat Dyckhoff. Sein Stichwort heißt Schadensbegrenzung: Das Problem einer Fußgängerzone, meint Dyckhoff, liege darin, daß man die Attraktivität an einem Ort steigere und die gesamte Umgebung dann darunter leide. Für Dyckhoff Grund genug, nachzubessern: „Die Pavillons und das Glasdach über der U-Bahn müssen weg“, fordert er, „und auf den untergenutzten Grundstücken müssen wieder Wohnungen gebaut werden.“

Doch das städtische Ambiente, das Dyckhoff im Sinn hat, ist womöglich gar nicht im Interesse der Kundschaft. In der Spandauer Altstadt mit ihrem als Fußgängerzone ausgewiesenen mittelalterlichen Stadtkern bleiben seit Anfang des Jahres die Kunden weg. Ursache für den Kundenschwund: das megalomane Einkaufscenter „Havelpark“ im fünf Kilomter entfernten Dallgow.

Daß die Fußgänger in ihren Zonen weniger städtische Atmosphäre als vielmehr ein dichtes Angebot und ausreichend Parkplätze erwarten, zeigt auch die Gorkistraße in Tegel. Hier, wo Berlin am westdeutschsten ist, braucht Urbanität noch nicht einmal angedeutet zu werden. Die Insignien einer unsentimentalen Kulisse für das Wesentliche – den Konsum – reichen: Beton, hölzerne Sitzbänke um krüpplige Bäume, fliegende Händler, die das neuste Allzweckmesser zur Schau stellen. Gleichwohl verweist die Tegel-Zone bereits auf den Wandel der Konsumwelten von den siebziger zu den neunziger Jahren: Wer die Gorkistraße bis zum bitteren Ende geht, stößt unweigerlich auf das „Tegel-Center“, ein zwar reichlich schäbiges, aber als hermetisch konzentrierte Konsumwelt durchaus ernst gemeintes Einkaufscenter. Uwe Rada

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