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Lynchmord im Knast

■ Schon vier Tote bei einer Revolte in einem überbelegten Gefängnis in Athen

Athen (AP) – Die Häftlingsrevolte im Athener Korydallos-Gefängnis hat gestern ein viertes Todesopfer gefordert: Die Gefangenen lynchten einen vermutlich albanischen Mitinhaftierten und verbrannten anschließend seine Leiche. Der Hintergrund des Lynchmordes war nicht bekannt; die Polizei vermutete aber, daß es sich um den Machtkampf rivalisierender Banden um die Kontrolle der Haftanstalt handelte.

Die Anstalt wurde auch am dritten Tag in Folge weiter von den Häftlingen kontrolliert, weil die Wachleute sich weigerten, ohne eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen wieder ihren Dienst aufzunehmen. Sie fordern unter anderem die Entwaffnung der Gefangenen und eine bessere Bezahlung. Erstmals seit Beginn des Aufstands am Dienstag besuchte Justizminister Ioannis Pottakis das Gefängnis.

Die Gefängnisküche, die Krankenstation und die Apotheke wurden während der Revolte schwer beschädigt. Das Justizministerium schätzte den Schaden auf umgerechnet mehr als 2,8 Millionen Mark. Konservative Oppositionspolitiker, aber auch Vertreter der sozialdemokratischen Regierungspartei forderten den Rücktritt des Justizministers. Wie Pottakis erklärte, ist ein Polizeieinsatz zur Stürmung des Gebäudes auch weiterhin nicht geplant.

Am Donnerstag verhinderte die Bereitschaftspolizei, die das Gebäude umstellt hat, einen Massenausbruch der Gefangenen. 60 jugendliche Strafgefangene wurden unter Polizeiaufsicht in ein anderes Gefängnis überführt, um sie vor Übergriffen ihrer Mithäftlinge zu schützen. Sie berichteten von chaotischen Verhältnissen. Mehrere junge Häftlinge seien von älteren vergewaltigt und mißhandelt worden, hieß es.

Die mit Messern und Schlagstöcken bewaffneten Häftlinge hatten am Dienstag das mit 1.400 Personen vollkommen überbelegte Gefängnis unter ihre Kontrolle gebracht und acht Bedienstete als Geiseln genommen. Nach Zusagen der Regierung, die Haftbedingungen zu verbessern, ließen die Meuterer ihre letzten Geiseln am Donnerstag morgen frei.

Das Korydallos-Gefängnis wurde Anfang der siebziger Jahre gebaut und sollte ursprünglich Platz für 500 Häftlinge bieten. Unter den Insassen sind Scheckbetrüger, Terroristen, Luftpiraten, Massenmörder – und die Führer der Militärdiktatur von 1967 bis 1974.

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