: Lafontaine verletzt die 89er Mentalität
■ Das geplante Gespräch mit Gysi entzweit die ostdeutsche SPD
Mannheim (taz) – Ungeteilte Freude löst der neue SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine bei den ostdeutschen Sozialdemokraten nicht aus. Vor allem sein geplantes Treffen mit PDS-Chef Gregor Gysi und seine skeptische Haltung gegenüber der deutschen Einheit vor fünf Jahren machen so manchen aus den neuen Bundesländern mißtrauisch. So verlangt der Bundestagsabgeordnete Markus Meckel von Lafontaine, er solle das Treffen mit Gysi absagen, das nach einer ZDF-Sendung zwischen den beiden und dem mecklenburg-vorpommerischen SPD- Chef Harald Ringstorff vereinbart worden war. Denn es gäbe in der Frage des Verhältnisses zur PDS „großen Besprechungsbedarf“ mit dem neuen Parteivorsitzenden. Auch der sächsische Parteichef Karl-Heinz Kunckel fordert, Lafontaine müsse sich zuerst mit der ostdeutschen SPD-Spitze absprechen.
Vorsichtiger verhält sich der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber. Er hält das Treffen mit Gysi nicht für die wichtigste Aufgabe des Parteivorsitzenden und erinnert daran, daß der Saarländer 1990 bei den Ostdeutschen einen Scherbenhaufen hinterlassen habe. „Der hat doch damals einfach nur gerechnet und unsere Freude nicht geteilt.“ Deswegen sei es nun eine vordringlich Aufgabe, daß der neue Vorsitzende auf die Ostdeutschen zugehe. Bei aller Skepsis will der Scharping-Wähler Lafontaine einen Vertrauensvorschuß geben und zeigt sich loyal: „Er ist der demokratisch gewählte, neue Vorsitzende. Wie soll der arbeiten, wenn man direkt gegen ihn eingenommen ist?“ Vor der Vorsitzenden- Wahl ging er mit dem saarländischen Ministerpräsidenten härter ins Gericht. Da nannte er das Treffen mit Gysi noch „geschmacklos“. Und warf Lafontaine vor, „aus seinen Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt zu haben“. Schließlich habe der Saarländer die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl 1990 wegen seiner Probleme mit der Einheit vergeigt.
Lafontaine wird in den neuen Bundesländern jedoch nicht nur auf Ablehnung stoßen. Gerade bei den dortigen Linken in der SPD wächst jetzt die Hoffnung, daß das Verhältnis zur PDS normalisiert werden kann. „Eine Ausgrenzung bringt nichts, es muß unbedingt mit denen geredet werden“, findet Christian Reinke, Landesvorsitzender der Jungsozialisten und Mitglied des SPD-Landesvorstandes in Mecklenburg-Vorpommern. Doch noch sei in der ostdeuschen SPD die „89er-Mentalität“ verbreitet, mit der jede Zusammenarbeit mit der PDS abgelehnt werde. Rudolf Borchert vom linken „Warener Kreis“ pflichtet ihm bei: „Viele Ost-Bundestagsabgeordnete sind in dieser Frage 1990 stehengeblieben.“ Dabei zeigten Umfragen in Mecklenburg-Vorpommern, daß nur noch 15 Prozent der Bevölkerung für eine Ausgrenzung der PDS seien.
Das Treffen Gysi–Lafontaine hält er „für ein Stück Normalität, die – längst überfällig – auf Bundesebene noch vollzogen werden muß“. Borchert will in seinem Kreisverband ausdrücklich für Oskar Lafontaine werben, denn „wir haben jetzt eine Riesenchance, personell und inhaltlich neue Akzente zu setzen und als linke Volkspartei ein stärkeres Profil zu gewinnen“. An die Adresse von Lafontaine-Kritikern gerichtet, sagte er: „Auch die müssen doch heute einsehen, daß er, was die negativen Auswirkungen der Einheit angeht, recht behalten hat.“ Karin Nink
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