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Dasa bleibt in der Kälte stehen

■ 2.700 Dasa-MitarbeiterInnen legten Arbeit nieder / Vorstand hat „abschließend beraten“

Die Bremer MitarbeiterInnen des Daimler-Benz-Aerospace-Konzerns (Dasa) hatten sich gestern warm angezogen: Ein kalter Wind bläst ihnen seit Monaten aus der Konzernzentrale in München entgegen. Gegen das eiskalt-rechnerische „Dollar low rescue“-Sparprogramm (Dolores) war gestern die gesamte Belegschaft in Bremen vor den Werkstoren geblieben. Die rund 2.700 MitarbeiterInnen waren damit der Aufforderung des Betriebsrats gefolgt, den ganzen Tag ihre Arbeit niederzulegen.

Seit 5.30 Uhr hatten sich die KollegInnen vor den Toren eins und zwei versammelt. Mit Fackeln erleuchteten sie den kalten und dunklen Morgen. Auf Transparenten an den hohen Stahlzäunen fragten sie den Zeitgleich in München tagenden Dasa-Vorstand: „Milliardengewinne und Rotwein in Rom – für Dasa Kollegen bald Wermut am Dom?“.

Fast jeder zweite Mitarbeiter im Bremer Dasa-Werk wird entlassen, sollte der Vorstand das umstrittene Sanierungskonzept „Dolores“ durchziehen. Und das scheint sehr wahrscheinlich. Nach der gestrigen Sitzung hielt sich der Vorsatnd vorsichtig zurück, seine Botschaft war jedoch eindeutig: „Der Vorstand der Dasa hat Wettbewerbs-Initiative des Unternehmens abschließend beraten“.

Die Beschlüsse werden „aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tragweite für den gesamten Daimler-Benz-Konzern im Rahmen der bestehenden Regularien dem Konzernvorstand am Diensatg zur Zustimmung vorgelegt.“ Näheres war gestern weder aus der Dasa-Zentrale München noch aus der norddeutschen Zentrale Hamburg zu erfahren.

Einer der frühen Besucher vor den Dasa-Toren war Bürgermeister Henning Scherf. Er brachte den streikenden KollegInnen heißen Kaffee und zeigte sich solidarisch mit ihnen. Dem ZDF sagte Scherf, er unterstütze den Kampf der Belegschaft. Er sprach sich für den Standorterhalt des deutschen Flugzeugbaus aus. „Eine Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer ist keine Alternative“.

Für den Betriebsrat der Stahlwerke Bremen führte Peter Sörgel eine Solidaritäts-Delegation vor Tor 1. „Wir hatten eine ähnliche Situation vor zwei Jahren“, sagte ein Vertreter der IG-Metall Vertrauensleute bei den Stahlwerken. „Wir müssen uns solidarisch mit den Kollegen bei der Dasa erklären“.

Am Aktionstag gegen Dolores beteiligten sich gestern auch die Belegschaften in den anderen deutschen Dasa-Standorten. Per Funkgerät schickten sich die rund 16.800 Dasa-KollegInnen von Speyer über Bremen bis Hamburg gute Wünsche und Durchhalteparolen. „Daimler-Benz hat einen Dialog mit den Arbeitnehmern angeboten, in dem alles verhandelbar ist, außer die Gewinnerwartung von 1,2 Milliarden Dollar bei einem kalkulierten Dollarkurs von 1,36 DM“, sagte Frank Teichmüller, IG Metall Küste, vor dem Werk in Varel. Den Beschäftigten bliebe damit nur die Alternative: „Erschießen oder Erhängen“.

„Hier herrscht nur noch Trauerstimmung“, sagte eine Sekretärin aus der Entwicklungsabteilung der Bremer Dasa. Ihre Abteilung werde zum Januar aufgelöst. Einige der KollegInnen konnten wie sie innerhalb des Betriebes untergebracht werden, andere müssen nach Hamburg-Finkenwerder pendeln. Aber auch dort wird ihre Arbeit nur noch wenige Monate benötigt werden. Die hochqualifizierten Entwicklungs-Ingenieure rechnen damit, spätestens in sechs Monaten endgültig auf der Straße zu stehen.

„Wir bleiben arbeitslos“, sagte ein Mitarbeiter aus der Konstruktion. Wenn allein an den norddeutschen Luftfahrtstandorten von zur Zeit rund 13.000 MitarbeiterInnen rund 4.000 entlassen werden, „ist das der Tod“. In ganz Norddeutschland braucht dann kein Unternehmen mehr einen Luft- und Raumfahrttechniker. Noch verdrängen die Beschäftigten die Angst vor der Arbeitslosogkeit: „Der Tag X war ja noch nicht“, sagte ein zweiter Mitarbeiter. Doch seit Monaten ist die Stimmung im Betrieb gedämpft: „Der Elan fehlt“.

Ulrike Fokken

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