■ EU-Förderung: Brücke für den Handel
Die EU hat für die nächsten fünf Jahre knapp neun Milliarden Mark für die Verbesserung der Beziehungen zu den Mittelmeerstaaten zur Verfügung gestellt. Neben Malta und Zypern sollen auch alle nichteuropäischen Mittelmeeranrainer von Marokko bis Israel, Syrien und der Türkei Finanzhilfen für die Modernisierung ihrer Wirtschaft bekommen. Nur Libyen geht wegen der UN-Sanktionen leer aus. Mit Jordanien, das keine Küste hat, aber trotzdem in das Programm aufgenommen wurde, sind das insgesamt elf Länder, denen die EU irgendwann auch eine Freihandelszone anbieten will.
Mit dem Ausbau der Handelsbeziehungen soll einerseits den antiwestlichen Strömungen Wind aus den Segeln genommen und andererseits der Einwanderungsdruck auf die EU abgeschwächt werden. Denn in den meisten nordafrikanischen Staaten macht das Pro- Kopf-Einkommen gerade mal ein Zehntel des EU-Durchschnitts aus. Vor allem die spanische Regierung hatte deshalb in den vergangenen Jahren darauf gedrängt, die Mittelmeerregion stärker in die EU-Förderung einzubeziehen.
Die Spanier sind nicht die einzigen, denen die EU zu sehr nach Osten schaut. Auch Italien, Griechenland und Portugal liegt die nordafrikanische Küste wesentlich näher als Polen oder Ungarn. Frankreich fürchtet zudem, durch die geplante Osterweiterung geographisch wie politisch an den Rand gedrängt zu werden; die neue Mittelmeerpolitik soll ein Gegengewicht schaffen.
Gegen den Widerstand aus Bonn haben die EU-Regierungen auf dem letzten Gipfel in Cannes einen Finanzrahmen für die Mittelmeerhilfe beschlossen, der nur wenig niedriger als die Unterstützung für die mittel- und osteuropäischen Staaten ausgefallen ist: insgesamt 13 Milliarden Mark für die Jahre 1995 bis 1999. Die deutsche Regierung hätte es lieber gesehen, wenn die EU weniger Geld für den Süden und mehr für Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei bereitgestellt hätte. Im Gegensatz zu diesen Ländern wird den Mittelmeernachbarn – mit Ausnahme von Zypern und Malta – keine Aussicht auf einen EU- Beitritt eingeräumt. Der Beitrittsantrag der Türkei wurde 1990 sogar ausdrücklich abgelehnt.
Während die EU-Zuschüsse für Mittel- und Osteuropa vorwiegend für die Anpassung der ehemaligen Planwirtschaften an das Wirtschaftssystem der EU und damit als Beitrittsvorbereitung verwendet werden sollen, zielt die Mittelmeerhilfe vor allem auf einen Ausbau des Handels. Das erste Europa-Mittelmeer-Abkommen wurde vor einigen Wochen mit Tunesien unterschrieben. In den nächsten zwölf Jahren werden schrittweise alle Zollschranken fallen, und es wird eine Freihandelszone eingerichtet. Außerdem haben sich beide Seiten verpflichtet, einen regelmäßigen politischen Dialog über alle Fragen von gemeinsamem Interesse aufzunehmen.RW
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