■ Querspalte: Leiden Christi? Jesus light!
Wie waren die Dinge doch gut geregelt, als Buß- und Bettag noch ein Feier- und vor allem ein freier Tag war: Ungehindert von Profanem konnten die Gläubischen ihren lustigen Verrichtungen nachgehen, wacker zum Gottesdienst latschen, sich vom Pastek einen Kräcker zwischen die Kiemen schieben lassen und zufrieden von Fleisch und Blut und Sakrament brummeln; die paar Ungläubig-Aufgeklärten im Lande hatten, vom lästigen Gebimmel abgesehen, ihre Ruhe und konnten jene Plätze, an denen sich liturgisch Bedürftige turnusmäßig zu Klumpen ballen, angenehm weiträumig umfahren.
Gerade der fröhlich gottlose Mensch hat einen besonderen Anspruch auf religiöse Feiertage; da darf er sicher sein, im öffentlichen Raum unbelästigt zu bleiben und nicht angefrömmelt zu werden.
Und so wird speziell dem Agnostiker mulmig beim Versagen der Kirchen. Denn wie das Schaf blöken muß, so muß der Gläubische glauben; kann er seinen Hang zum kollektiven Irrationalen nicht in der Kirche befriedigen, läuft er woanders hin, fängt das Musizieren an, mischt sich in Politik ein, gründet K-Gruppen, Grüne und andere Sekten und verpestet die wenigen verbliebenen Zonen des Geistes noch mit seinem Geschwätz, das dann gern esoterisch modifiziert und modernisiert daherkommt: Jesus light statt Leiden Christi, Spiritualität statt Spiritus Sanctus, Dalai Lama statt Lattenjupp.
Genau für diesen „Lätta“-Katholizismus haben sich anderthalb Millionen deutsche Betgeschwister ausgesprochen, als sie das Kirchenvolksbegehren „Wir sind die Kirche“ unterschrieben, ihre Vision, Christentum mit menschlichem Antlitz, ist eine gruselige Contradictio in adjecto: Kritisch blökt das Christenschaf, wenn's nach Gusto blöken darf, blökt es frisch und fromm und frei. Die Ge-da- hanken sind Brei ...
Gebt also den Christen ihren Feiertag zurück! Besser noch: Schafft drei, vier, viele Buß- und Bettage! Denn die schrecklichen Folgen mangelnder liturgischer Betätigung möchte ich nicht tragen. Wiglaf Droste
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