SS-Offizier Erich Priebke ist wieder in Italien

■ In Rom soll dem SS-Hauptsturmführer wegen der Erschießung von Zivilisten 1944 der Prozeß gemacht werden. Die Beweislage ist schwierig, die Zeugen sind tot

Rom (taz) – Mehr als zweitausend Mann Sicherheitskräfte, lückenlose Absperrung des ehemaligen römischen Militärflughafens Ciampino und, auf Distanz, Hunderte von Presseleuten: Die Auslieferung des 82jährigen ehemaligen SS-Mannes Erich Priebke aus Argentinien gab bereits einen Vorgeschmack auf das Spektakel, das beim Prozeß noch folgen mag.

Der ehemals engste Mitarbeiter des Nazi-Kriegsverbrechers Herbert Kappler war nach dem Krieg über einige Zwischenstationen in die Provinzstadt Bariloche gekommen und hatte sich dort unter falschem Namen niedergelassen.

Laut Anklage des italienischen Militärrichters war Priebke im März 1944 aktiv an der Erschießung von 335 Geiseln in den Ardeatinischen Gräben nahe Rom beteiligt. Da nach Kriegsrecht für die zuvor von italienischen Partisanen erschossenen 33 Soldaten und Fascho-Milizionäre nur höchstens 330 Geiseln hätten umgebracht werden dürfen, wurde Kappler seinerzeit in Italien wegen Massakers zu lebenslanger Haft verurteilt.

Priebke droht nun dieselbe Strafe, wenn – ja wenn es den italienischen Behörden gelingt, die Mittäterschaft des ehemaligen SS- Mannes zu beweisen. Das aber wird schwierig, da die meisten Zeugen tot sind. Priebke selbst verteidigt sich mit der bloßen Ausführung von Befehlen Kapplers und Hitlers.

Bei der schwierigen Beweislage kam zeitweise der Eindruck auf, die Italiener wollten Priebke gar nicht so unbedingt wiederhaben, trotz des großen Geschreis, als das oberste argentinische Gericht die Auslieferung vorübergehend abgelehnt hatte. Das Auslieferungsansuchen nämlich bezog sich nachlässigerweise nur auf „Beihilfe zum Massaker“ und wäre dann sowohl nach italienischem wie argentinischem Recht verjährt gewesen. Zur Auslieferung kam es nur, weil der argentinische Gerichtshof bei Durchsicht der Akten von selbst zu dem Ergebnis kam, Priebke habe einzelne Geiseln persönlich ausgesucht und einige selbst hingerichtet, sei also aktiver Täter gewesen.

Nun wird Priebke erst einmal gründlich auf seine Gesundheit untersucht. Der mögliche Klinikaufenthalt beschwört in Italien allerdings ungute Erinnerungen herauf: Auch Herbert Kappler hatte sich, sonst in der ausbruchsicheren Festung Gaeta eingesperrt, so lange krank gestellt, bis er in eine römische Klinik eingewiesen wurde. Wenige Tage später verschwand er, tauchte in Deutschland auf und lebte bis zu seinem Tod unbehelligt in Freiheit. Besonders bei Betroffenen wie den jüdischen Gemeinden geht heute die Sorge um, auch Priebke könne am Ende vorzeitig verschwinden und im nachsichtigen Deutschland einen ebenso gemütlichen Lebensabend verbringen, wie er ihn sich in Argentinien ausgemalt hatte. Werner Raith