: Im Wald stehen 150.000 Kilometer Zäune
■ Elisabeth Emmert ist Vorsitzende vom ökologischen Jagdverein, in dem etwa 1.000 der 300.000 deutschen JägerInnen organisiert sind. Sie plädiert für massiveren Wildabschuß
taz: Sie schießen Tiere tot und nennen das ökologisch. Was daran soll Umweltschutz sein?
Elisabeth Emmert: Wir schießen aus ökologischen Gründen im wesentlichen Schalenwild, also Rehe und Hirsche. Die Wilddichten haben sich in den letzten Jahrzehnten extrem erhöht. Für anpassungsfähige Arten wie das Reh sind die Verhältnisse immer günstiger geworden. Andere Tierarten sind fast ausgestorben. Außerdem verbeißt das Schalenwild die Bäume und verhindert so eine Verjüngung des Waldes. Gerade weil der Wald durch Umwelteinflüsse geschädigt ist, muß Baumnachwuchs gesichert werden.
Warum gibt es denn soviel Wild?
Die konventionellen Jäger haben die von ihnen gewünschten Tierarten durch Fütterungen gepäppelt. Damit man zu einer bestimmten Zeit von einem bestimmten Hochsitz aus einen Hirsch erlegen kann, muß viel Wild dasein. Die konventionellen Jäger wollen auswählen können: Den Hirsch lass' ich noch älter werden, und das ist ein Erntebock. Es geht ja vor allem um das Gehörn als Trophäe.
Besteht das Problem nicht vielmehr darin, daß die Wald- und Flurflächen geschrumpft sind?
Die Waldfläche hat sich in den letzten Jahrzehnten hierzulande nicht verkleinert. Aber die Wälder sind natürlich als Lebensraum im Vergleich zu den landwirtschaftlichen Flächen attraktiver geworden für die Tiere, weil die Qualität der landwirtschaftlichen Flächen zurückgegangen ist.
Aber das ökologische Gleichgewicht kann doch nicht vom Gewehreinsatz abhängen.
Langfristig würde sich das ökologische Gleichgewicht zwischen Wald und Wild von allein wieder einpendeln. Aber wir wollen ja den Wald als Lebens- und Wirtschaftsraum erhalten. Es geht auch um die Holzgewinnung. Aus ökologischer Sicht ist es sinnvoll, den Rohstoff Holz nicht nur in Tropenwäldern oder in Skandinavien, sondern auch bei uns zu erzeugen. Die Bundeswaldinventur hat erwiesen: Jede dritte Laubholzpflanze, die nicht durch einen Zaun oder chemische Mittel geschützt wird, wird verbissen. Und wenn Eichen und Buchen ausfallen, wachsen Fichten um so besser. Das führt zu Monokulturen. Ein Wald mit standortgerechten Baumarten kommt dagegen auch Käfern und Insekten zugute, die mit diesen Bäumen vergesellschaftet sind.
Was kostet denn die konventionelle Jagerei?
Die Zäune, die um die Jungpflanzen gebaut werden, kosten in Deutschland pro Hektar 30 Mark. 150.000 Kilometer Zäune stehen in deutschen Wäldern, um diese vorm Wild zu schützen. Und ohne angepaßten Wildbestand ist es in Deutschland nicht möglich, eine naturnahe Waldwirtschaft zu betreiben – weg von Monokulturen und Kahlschlag.
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