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Pale-Serben sehen sich als Opfer

■ In dem von Karadžić kontrollierten Vorort von Sarajevo wird das Bosnien-Abkommen von Dayton nicht begrüßt

Pale (AFP) – „Verdammt sei die Hand, die dieses Abkommen unterzeichnet.“ Der rund 30jährige bosnisch-serbische Soldat Zoran spricht den meisten Bewohnern Pales, der „Hauptstadt“ der selbsternannten Serbenrepublik in Bosnien-Herzegowina, aus der Seele. Verbittert sehen sie sich als Opfer des Friedensabkommens von Dayton, das Sarajevo zu einer „muslimischen Stadt“ mache – obwohl in dem Vertrag ausdrücklich festgehalten ist, daß einige Bezirke der vereinten Hauptstadt Bosniens von den Serben autonom verwaltet werden sollen. Außerdem bekommen die Serben 49 Prozent des Territoriums zugesprochen, darunter ihre Hochburg Pale sowie die ehemaligen UN-Schutzzonen Srebrenica und Zepa.

Die Ablehnung des Abkommens in Pale ist dennoch nahezu total. Vor Kriegsbeginn lebten in der Stadt samt Umgebung gerade mal 15.000 Menschen, heute sind es 30.000, davon mehr als die Hälfte aus Sarajevo. Ihnen ist der Gedanke unerträglich, daß dort nun mehrere Ortsteile der Kontrolle der bosnischen Regierung unterstellt werden sollen. „Ich verstehe nicht, daß Sarajevo muslimisch sein kann“, klagt die 30jährige Angestellte Bojana. „Ich war guter Hoffnung, dorthin zurückzukehren, aber das scheint nun auf immer ausgeschlossen.“

Nur das „serbische Volk“ und die „Regierung“ der selbsternannten Serbenrepublik könnten über die Zukunft Sarajevos entscheiden, meint auch der „Bürgermeister“ des serbisch kontrollierten Teils, Vojislav Maksimović. Er weist darauf hin, daß sich in seinem Einflußbereich 80 Prozent des Industriepotentials Sarajevos befänden.

Der in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagte Serbenführer Radovan Karadžić äußerte sich in den ersten zwei Tagen seit der Dayton-Einigung nicht zu dem Abkommen. Der „Parlamentspräsident“ der bosnischen Serben, Momcilo Krajisnik, sprach dagegen von einer „Erpressung“, „nicht einmal ein Minimum“ der bosnisch-serbischen Forderungen sei erfüllt worden.

„Inakzeptabel“ nennt Trifko Radić, der Chef der „Kriegs-Präsidentschaft“ im serbisch kontrollierten Teil Sarajevos, die in Dayton getroffenen Gebietsentscheidungen. Der Korridor, der Sarajevo mit der ostbosnischen Stadt Goražde verbinden soll, teile die „Serbische Republik“ in zwei Teile. Der „Informationsminister“ der bosnischen Serben, Miroslav Toholj, verlangt eine „Verbesserung“ des Friedensabkommens. Erst nach der detaillierten Prüfung des Vertragstextes werde Pale über die Annahme oder Zurückweisung des Kompromisses entscheiden.

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