piwik no script img

Erbärmliches Bildungsniveau

■ Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung kritisiert mangelnde Bildungschancen für ausländische Jugendliche

Bonn (taz) – Es gibt immer noch deutliche Unterschiede zwischen dem Bildungsgrad von deutschen Jugendlichen und jungen Menschen ohne deutschen Paß. Das ergab der Bericht zur „Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland“, den die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, gestern in Bonn vorstellte. Dabei, so Schmalz-Jacobsen, könne die Bedeutung dieses Themas gar nicht überschätzt werden. „Nicht nur die Lebenschancen des einzelnen, auch die Akzeptanz bei anderen sowie das eigene Selbstwertgefühl hängen zu einem guten Teil vom jeweiligen Bildungs- und Ausbildungsniveau ab.“

1993 besuchten von den rund eine Million ausländischen Schülerinnen und Schülern nur knapp zehn Prozent das Gymnasium. Mehr als ein Viertel der Jungen und Mädchen besuchte die Hauptschule. Von den deutschen Schülern besuchten dagegen 24 Prozent ein Gymnasium.

Noch deutlicher wird der Unterschied bei den Bildungsabschlüssen. Von den 79.100 Jugendlichen ohne deutschen Paß, die allgemeinbildende Schulen besuchten, verließen knapp 17 Prozent die Schule ohne Abschluß, 44,4 Prozent – das sind rund 34.400 Kinder – machten den Hauptschulabschluß, und gut 26 Prozent, rund 21.000 Schülerinnen und Schüler, bekamen ein Realschulzeugnis. Das Abitur machten nur 6.641 der ausländischen Jungen und Mädchen. Das sind 8,4 Prozent. Insgesamt 28,3 Prozent der deutschen Jugendlichen erlangten dagegen die Hochschulreife.

Auch in der beruflichen Ausbildung sind die Perspektiven für ausländische Jugendliche nicht rosig. 40 Prozent der ausländischen Jugendlichen im Alter von 14 bis 16 Jahren blieben 1992 ohne Berufsausbildung. Knapp 80 Prozent der 1994 arbeitslos gemeldeten ausländischen Arbeitnehmer verfügen über keine abgeschlossene Berufsausbildung.

„Wir bekommen ein soziales Problem, wenn so viele junge Leute ohne Ausbildung sind“, fürchtet Schmalz-Jacobsen. Sie fordert, daß Ausbilder und Lehrer besser über die besonderen Fähigkeiten von ausländischen Jugendlichen aufgeklärt werden sollten. „Wir müssen Vorurteilen entgegenwirken. Arbeitgeber und Ausbilder sehen noch nicht ein, daß es ein Wettbewerbsvorteil ist, zweisprachige Beschäftigte zu haben.“

Nach dem Bericht der Ausländerbeauftragen lebten Ende 1994 knapp sieben Millionen Ausländer und Ausländerinnen in Deutschland, ein Viertel von ihnen schon mehr als 20 Jahre. Drei Viertel der Zuwanderer wohnen in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Unter den neuen Bundesländern hat Brandenburg mit 2,4 Prozent den höchsten Ausländeranteil. „Das zeigt auch, daß Ausländerfeindlichkeit nichts mit der hohen Quote an Migranten zu tun hat“, bemerkte Schmalz-Jacobsen. Karin Nink

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen